Umgang mit Spenden: Gericht stellt Tiktok-Star drei Jahre Haft in Aussicht

Ein islamistischer Tiktok-Star mit Hunderttausenden Followern steht in Düsseldorf vor Gericht. Er soll in großem Stil Spenden für humanitäre Zwecke in die eigene Tasche gesteckt haben.

Er erscheint im dunkelblauen T-Shirt, seine Lebensgefährtin im hellen Tschador. Das Düsseldorfer Landgericht hat dem islamistischen Tiktok-Star „Abdelhamid“ bei einem Geständnis drei Jahre Haft in Aussicht gestellt. Er soll rund eine halbe Million Euro Spenden für notleidende Kinder und andere humanitäre Zwecke eingeworben, aber fast vollständig für sich selbst verwendet haben. 

Seine Lebensgefährtin, nach islamischem Recht ist das Paar verheiratet, könne mit einer Bewährungsstrafe rechnen, wenn sie gesteht. Ein Verteidiger kündigte Geständnisse für den kommenden Verhandlungstag an.

Der 34-Jährige gilt als der neue Top-Influencer der islamistischen Szene. Als Prediger erreichte „Abdelhamid“ bei Tiktok und Instagram Hunderttausende Follower und zehn Millionen „Likes“. Das Weltbild, das er dort kumpelhaft und oft im Sporttrikot verbreitete, ist laut NRW-Verfassungsschutz extremistisch-salafistisch. 

37 Spendenaufrufe

Seine Verhaftung hatte aber einen anderen Grund: Mit 37 Spendenaufrufen soll er sich die eigenen Taschen gefüllt haben. Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs angeklagt. Das Gericht äußerte aber deutliche Zweifel am Vorwurf der Bandenbildung. 

Die Staatsanwältin listete beim Prozessauftakt jeden Spendenaufruf detailliert auf, regelmäßig versehen mit dem Hinweis: „Eine Weiterleitung der Gelder an Hilfsorganisationen erfolgte nicht. Der Angeklagte verwendete die Gelder wie geplant für private Zwecke.“ 

Sieben Konten verschiedener Inhaber sollen dafür genutzt worden sein. Sie wurden gepfändet. Nach einem besonders erfolgreichen Spendenaufruf „für Palästina“, der 78.000 Euro von mehr als 1.000 Spendern einbrachte, habe sich der Angeklagte für 71.600 Euro einen BMW gekauft, berichtete die Staatsanwältin. 

Sozialleistungen vom Jobcenter

Derweil habe er Sozialleistungen vom Jobcenter bezogen. Wegen Sozialleistungsbetrugs gebe es noch ein gesondertes Verfahren gegen ihn. Das Verfahren gegen seine Schwester, die als Komplizin ebenfalls mitgemacht haben soll, war zuvor abgetrennt worden. 

Der Prediger sei bereits einschlägig wegen Betrugs vorbestraft, und es seien Geldstrafen gegen ihn verhängt worden, hatte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft nach seiner Festnahme mitgeteilt. Seit acht Monaten sitzt er in Untersuchungshaft. Nach dem Prozess könne er zunächst freikommen und den Rest der Strafe später absitzen, stellte das Gericht in Aussicht.

Wie am Rande des Prozesses bekanntwurde, soll eine Geldwäsche-Verdachtsmeldung die Ermittlungen ausgelöst haben. Angesichts des ideologischen Hintergrunds hatten die Ermittler geprüft, ob das Geld an Terrorgruppen geflossen sein könnte. 

Doch das Ergebnis war profaner: Dicke Bündel mit 20.000 Euro Bargeld, mehrere Luxusuhren, Luxus-Handtaschen und Autos der gehobenen Preisklasse wurden bei dem Sozialleistungsempfänger beschlagnahmt. 

Lifestyle-Influencer

Für die Sicherheitsbehörden gelten seine Videos als Einstieg in eine Radikalisierungsspirale – vor allem für junge, bildungsferne Menschen. Als salafistischer Lifestyle-Influencer wird Dehran A. im Lagebild Islamismus des NRW-Innenministeriums beschrieben. 

Nicht nur das Lagebild Islamismus, auch der NRW-Verfassungsschutzbericht widmet dem Düsseldorfer einen eigenen Abschnitt. „Abdelhamid“ setze fort, was Pierre Vogel begonnen habe: den extremistischen Salafismus einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, warnten die Behörden. 

Im vergangenen Oktober war er verhaftet worden. Ein Richter hatte ihn in Untersuchungshaft geschickt – wegen Flucht- und Wiederholungsgefahr. Zuvor soll er Vorbereitungen getroffen haben, sich nach Dubai abzusetzen. 

Limousine am Abschlepphaken

Drei Wohnungen wurden durchsucht, Vermögen in sechsstelligem Wert beschlagnahmt, eine Limousine an den Abschlepphaken genommen. Das Landgericht hat für den Prozess, der am kommenden Montag fortgesetzt wird, sechs Verhandlungstage angesetzt.