Die SPD düpiert ihren Vorsitzenden Lars Klingbeil mit einem miserablen Ergebnis. Das ist eine klare Botschaft: Sozialdemokratische Romantik wird die Partei nicht retten.
Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Das gilt im übertragenen Sinne auch für Parteitage. Die Reden dort müssen nicht den Medienvertretern gefallen, die kaltherzig-erbarmungslos das Gesagte sezieren. Sondern den Delegierten.
So gesehen kann die SPD-Spitze die Eröffnung ihres Bundesparteitags für halbwegs gelungen halten. Halbwegs deshalb, weil die neue Parteivorsitzende Bärbel Bas mit starken 95 Prozent ins Amt gewählt wurde. Lars Klingbeil erhielt hingegen einen heftigen Denkzettel: Er bekam nur knapp 65 Prozent.
Das mag für ihn persönlich eine Schmach sein. Als Parteivorsitzender, Vizekanzler und Finanzminister hat er aber eine Legislatur Zeit, um sie wegzuatmen. Das eigentliche Problem seiner Partei (und damit auch seines) wird dies aber nicht lösen. Auch das zeigte der Eröffnungstag des Parteitags.
Zuvor hatten Bärbel Bas als auch Lars Klingbeil sich bei ihren Bewerbungsreden für den Parteivorsitz an sozialdemokratischen Kernbegriffen entlang gehangelt. Aufstieg durch Bildung, Politik für die Schwächsten, Kampf gegen Rechts und Rassismus.
Bärbel Bas spielt die Frauenkarte
Das gelang mal mehr, mal weniger elegant. Bärbel Bas hatte dabei einen doppelten Vorteil. Zum einen konnte sie die Frauenkarte spielen, Mitgefühl mit der abgesägten Ex-Co-Vorsitzenden Saskia Esken bekunden und dies zugleich mit einem weiteren sozialdemokratischen Mantra („Solidarität“) verbinden. Zum andern geht das schlechte Ergebnis für die SPD bei der Bundestagswahl nicht mit ihr heim, sondern mit Lars Klingbeil.
Der schlug deshalb auch einen demütigen Ton an. Sprach von einem „katastrophalen Ergebnis vom 23. Februar“, das „man nicht weglegen“ könne. Von „Fehlern“, „Verantwortung“ und „Selbstkritik“. Und ließ dann doch nur vage Formulierungen folgen: „Wir waren nicht voll da.“
Seinen Griff nach dem Fraktionsvorsitz trotz Wahldebakel rechtfertigte er damit, er habe „auf Augenhöhe mit Friedrich Merz“ eine Regierung aushandeln wollen, um „das Beste“ für seine Partei herauszuholen. Machtstreben als samariterhafte Notwehr darzustellen, das hat Söder-Format.
Immerhin versuchte Klingbeil erst gar nicht schönzureden, dass er den aggressiven Verdrängungsprozess seiner Co-Vorsitzenden erst lange zuließ und ihr dann auch noch ein Ministeramt verweigerte. Stattdessen beließ er es auch hier bei der vagen Andeutung, dass ja „viele keine Ahnung“ hätten, „wie es wirklich ist“.
Die SPD braucht Disruption
Was sowohl Bas als auch Klingbeil vermissen ließen: ein ernsthaftes Nachdenken, was denn eigentlich schiefgelaufen ist. Und vor allem Visionen, wie die auf 16 Prozent geschrumpfte Partei sich neu erfinden kann.
Es waren andere Genossen, die in der den Bewerbungsreden folgenden Aussprache diese Lücke zu füllen suchten. Philipp Türmer etwa. „Nach dem 23. Februar ist unser größter Feind die Normalität“, rief der Juso-Chef empört vom Podium und forderte seine Partei auf, sich nicht mit „kleinen Erfolgen zufrieden“ zu geben und nicht „die kleinen Kompromisse zu feiern“.
Türmers Antwort auf die Existenzfrage der SPD (Umverteilung) mögen viele für die falsche halten. Richtig aber dürfte die dahinter steckende Annahme sein, dass sich die SPD ohne Disruption endgültig verloren sein wird.
Floskelhafte Sozialdemokraten-Romantik mag auf Parteitagen noch funktionieren. Draußen aber funktioniert sie nicht mehr. Das hat die Bundestagswahl gezeigt, zeigen die wöchentlichen Umfragen.
Womit wir wieder beim Angler wären. Am Ende muss dessen Wurm eben nicht den Delegierten schmecken. Sondern den Wählerinnen und Wählern.