Der Bundespräsident ist für drei Tage im beschaulichen Neuruppin. In der Fontane-Stadt setzt Steinmeier seine Besuchsreihe in kleineren Städten fort. Dabei ist ihm vor allem eines wichtig.
Mit einem herzhaften „Guten Tag“ begrüßt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Menschentraube, die sich an einer Bushaltestelle in Neuruppin versammelt hat. Die Leute schauen, wundern sich kurz und grüßen dann fast geschlossen zurück. Der Bundespräsident lacht. Nicht viele der Neuruppiner scheinen von dem hohen Besuch gewusst zu haben. Steinmeier verlegt für drei Tage seinen Amtssitz in die Stadt im Nordwesten Brandenburgs. Seine Mission: Er will mit den Menschen dort reden – und zwar mit Zeit.
Warmer Empfang für den Bundespräsidenten
Kurz nach seiner Ankunft mit der Regionalbahn zieht ein großer Tross aus Sicherheitsleuten, Büromitarbeitern und Journalisten durch die etwas verschlafen anmutende Fontane-Stadt im Norden Brandenburgs. Die Bürger, die Steinmeier erkennen, grüßen freundlich. Einige fragen nach einem Foto – einem Wunsch, dem Steinmeier meist nachkommt. Der Empfang für Steinmeier, der zuletzt 2019 zum 200. Geburtstag Fontanes in der Stadt war, ist herzlich. „Sie sind mir schwer sympathisch“, sagt eine ältere Frau und streichelte dem Bundespräsidenten den Rücken.
In der Innenstadt greift Steinmeier in der Apotheke, im Bücherladen und an der Würstchenbude zu. Es gibt Kräutertee aus der Apotheke, Kristine Bilkaus „Halbinsel“ und Christoph Heins „Narrenschiff“ aus dem Literaturgeschäft. Kurz nach 11 Uhr beißt der Bundespräsident in eine Bratwurst mit Senf. „So früh schon eine Bratwurst?“, fragt einer der Journalisten. „Naja ist doch egal“, antwortet Steinmeier. Und etwas später: „Vielleicht ein bisschen früh für eine Bratwurst.“ Einen Passanten fragt er nach seinen Mittagsplänen. „Pellkartoffeln und Quark und mal schauen, was wir auf dem Markt so finden“, lautet die Antwort.
Steinmeier: Wollen „keine großen Reden“ halten
Steinmeier will in Neuruppin intensive Gespräche mit den Bürgern führen. „Wir kommen nicht, um große Reden zu halten, wir kommen mit dem Angebot an Zeit“, betont er wenig später im Rathaus. Die wolle er für Gespräche mit Bürgern nutzen und die Gegend besser kennenlernen. „Ich bin mir sicher, dass wir tief hineintauchen – in Geschichte, in Gegenwart und hoffentlich auch in Gespräche über die Zukunft der Stadt“, hatte Steinmeier kurz vor seinem Besuch gesagt.
Auf dem Programm stehen für Steinmeier etwa Besuche bei einem Kanu-Verein, einer Kunstgalerie, einem Unternehmen der Region und der Medizinischen Hochschule. Auch ein mehrstündiger Bürgerdialog mit dem Thema Deutsche Einheit ist geplant. Steinmeier nennt es einen „sehr dichten Zeitplan“.
Was hinter der „Ortszeit“ steckt
Der Besuch im Landkreis Ostprignitz-Ruppin ist Teil der Reihe „Ortszeit Deutschland“, bei der das Staatsoberhaupt regelmäßig in verschiedene Regionen reist, um mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen und die Entwicklung vor Ort kennenzulernen. Die „Ortszeit“ in Neuruppin ist die 16. dieser Art für Steinmeier, nach Senftenberg ist es die zweite Tour nach Brandenburg.
Die Idee der „Ortszeit“ sei kurz vor Ende des „Corona-Lockdowns“ entstanden, sagte Steinmeier im Rathaus. Es gehe darum, wieder gemeinsam ins Gespräch zu kommen und an „einen Tisch zurückzukehren“. Die Gesprächsbereitschaft und die Fähigkeit zum Kompromiss hätten nach seiner Ansicht nachhaltigen Schaden in der Pandemie genommen. „Beschimpfungen“ und das „unpersönliche Gespräch“ hätten sich breit gemacht.
Mit der „Ortszeit“ will Steinmeier einen Impuls dagegen setzen. In Neuruppin steht Mittwoch das für ihn schon traditionelle Format „Kaffeetafel kontrovers“ an. Unbequeme Gespräche sind ihm willkommen.