Engpässe: Land startet Kompetenzzentrum für Justizgutachten

Ihre Einschätzung hat großes Gewicht bei Entscheidungen von Gerichten: Doch psychologische und psychiatrische Gutachter sind rar. So will Justizministerin von der Decken die Situation verbessern.

Mit Hilfe eines neuen Kompetenzzentrums will Justizministerin Kerstin von der Decken Gerichten den Zugang zu Sachverständigen erleichtern. „Bundesweit gibt es einen Mangel an psychologischen und psychia­trischen Gutachterinnen und Gutachtern, der sich nicht einfach beheben lässt“, sagte die CDU-Politikerin. „Wir tun je­doch alles dafür, dass verfügbare Sachverständige und Justiz bestmöglich zusam­menfinden und wir darüber hinaus mehr qualifizierte Gutachterinnen und Gutachter hinzugewinnen.“

Es soll nicht nur Gutachter vermitteln, sondern auch Fortbildungen anbieten und Nachwuchskräfte anleiten. „Psychologische und psychiatrische Gutachten sind häufig von immenser Bedeutung für die Justiz und Strafverfolgung“, sagte von der Decken. Das Vermittlungsangebot sei ein deutlicher Fortschritt für eine effizientere Justiz.

Junge Ärzte

Die Vermittlungsstelle ist bei der Ärztekammer in Bad Segeberg angesiedelt. „Wir wollen die Arbeitsschritte für Gerichte und Staatsanwaltschaften in Schleswig-Hols­tein verkürzen und diese entlasten“, sagte die ärztliche Geschäftsführerin Gisa Andresen. Ziel sei auch, mehr junge Mediziner an das Gutachterwesen heranzuführen.

Zum Kompetenzzentrum gehört auch ein interdisziplinäres Fachgremium, dem die Rechtspsychologin Sil­via Gubi-Kelm, die forensische Psychiaterin Christine Heisterkamp und der Kieler Oberstaatsanwalt Achim Hackethal angehören. Das Land finanziert die Vermittlungsstelle bei der Ärztekammer mit 50.000 Euro jährlich.

Heisterkamp betonte, dass es unter Ärztinnen und Ärzten sehr viele Berührungsängste gebe. Ziel sei es, jungen Medizinern die Angst vor Gerichtssälen zu nehmen.

Hackethal berichtete von einem zunehmenden Mangel an Gutachtern an den Landgerichten. Dies habe auch mit einer Tendenz zu tun, wonach es in Prozessen immer mehr Hauptverhandlungstage gebe. Die wenigen Experten hätten teilweise zudem mehrere Verfahren gleichzeitig.

Psychologische oder psychiatrische Sachverständige bewerten nach Ministeriumsangaben nicht nur die Schuldfähig­keit von Angeklagten, sondern auch die Glaub­haftigkeit von Zeugenaussagen sowie Entscheidungen, die das Umgangsrecht oder eine Kindeswohlge­fährdung betreffen. Für ein Gutachten gibt es in der Regel ausführliche Gespräche mit den Betroffenen. Häufig nehmen die Sachverständigen auch an der Verhandlung vor Gericht teil, um ihr Gutachten zu erstellen.