Meinung: AKW-Hitzeflaute: Schluss jetzt mit dem Gefasel vom Wiedereinstieg!

Frankreich und die Schweiz müssen ihre AKW drosseln. Die Flüsse sind zu warm, um die Reaktoren zu kühlen. Kernkraft ist längst Teil unseres Klimaproblems.

Es geht wieder los: Frankreich hat die ersten Atomkraftwerke gedrosselt, weil das Wasser der Flüsse zu warm ist, um die Reaktoren zu kühlen. Durch die ungewöhnliche Hitze haben sich die Garonne, Gironde und Rhône, die Kühlwasser liefern, auf bis zu 28 °C erwärmt. Das zurückgeleitete Wasser aus den Kraftwerken wäre viel zu heiß für Flora und Fauna. Deshalb musste der staatliche AKW-Betreiber EDF reagieren.

EDF spielt den Vorfall herunter. Es gebe seit dem Jahr 2000 solche Drosselungen, sie hätten im Jahresdurchschnitt die Stromproduktion nur um 0,3  Prozent reduziert; es sei auch zu keinem Blackout, also keinem flächendeckenden Stromausfall, gekommen. 

Mehr als die Hälfte der AKW fielen aus

Na siehste, werden jetzt Atomkraftbewunderer sagen. Doch die sehr lang gestreckte Statistik täuscht. In den wirklich heißen Jahren fehlten den Franzosen 2003 5,5 Milliarden Kilowattstunden, 2018 1,7 Milliarden. Weil zudem teils mehr als die Hälfte der Reaktoren defekt oder in Revision war, war Frankreich auf die Hilfe der Nachbarn angewiesen. Deutschland lieferte jede Menge Grünstrom. 

Die Folgen der Hitze zeigen sich noch an anderer Stelle sehr drastisch: beim Börsenstrompreis. Als EDF jetzt das Kernkraftwerk Golfech im Süden des Landes herunterfuhr, mussten die Deutschen, die einen flexiblen Strompreis nutzen, zeitweilig mit bis zu 75 Cent pro Kilowattstunde rechnen, so der Stromanbieter Tibber – der deutsche Durchschnittstarif liegt bei 30 Cent. Denn Börsenpreise sind auch Psychologie, allein eine Meldung treibt sie manchmal hoch.

Entspannung ist nicht in Sicht. Inzwischen wurde auch die Leistung des AKW Blayais reduziert, damit sich die Mündung der Gironde nicht zu stark aufheizt. Und für das AKW Bugey im Süden, das von der Rhône gekühlt wird, steht eine Drosselung in Aussicht. Auch die Schweiz ist mittlerweile betroffen, sie hat die Leistung des AKW Beznau um 50 Prozent gemindert, weil die Aare zu warm ist.

Die Hitzeflauten nehmen zu, weil die Meere weniger kühlen

Solche Hitzeflauten für AKW werden zunehmen, da sind sich die Klimaforscher einig. Das sollten alle bedenken, die immer wieder das Hohelied der Kernkraft singen und den deutschen Wiedereinstieg fordern. Der Klimawandel schreitet voran, man kann ihn nicht mehr wegreden. Die Flüsse sind auch so warm, weil die Meere nicht mehr richtig abkühlen und damit die Luft weniger kühlen, die über das Festland streicht. 

Die EU hat gerade im Rahmen des Copernicus-Programms außergewöhnliche Werte im westlichen Mittelmeer sowie in Südfrankreich festgestellt. Die Wassertemperatur liegt bis zu fünf Grad über dem jahreszeitlichen Mittel. Im Juni ist es so warm wie gewöhnlich im Juli. Und wenn der Regen ausbleibt und die Pegelstände sinken, verschärft sich das Kühlwasserproblem noch einmal. Auch in Deutschland sind viele Flüsse viel zu warm.

Die Hitzeflaute der AKW ist ein Warnsignal

Die Hitzeflaute der AKW liefert ein weiteres dringendes Warnsignal, den Kampf gegen die Erderwärmung zu beschleunigen – mit wirklich erneuerbarer Energie bei Strom, Wärme und Verkehr. Atomkraftwerke sind längst Teil unseres Klimaproblems – und nicht seine Lösung.