Bundeskabinett macht Weg frei für Gasförderung vor Nordseeinsel Borkum

Die Bundesregierung hat den Weg für die Gasförderung vor der Nordseeinsel Borkum freigemacht. Das Bundeskabinett habe der Unterzeichnung des dafür notwendigen Abkommens mit den Niederlanden zugestimmt, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium am Mittwoch. „Wir unterstützen die Niederlande bei der Förderung aus der grenzüberschreitenden Gaslagerstätte“, erklärte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche. „Das stärkt nicht nur die Versorgungssicherheit unserer Nachbarn, sondern auch den europäischen Gasmarkt – und damit uns.“ Umweltschützer äußerten scharfe Kritik.

Das niederländische Unternehmen One Dyas will auf niederländischem Hoheitsgebiet eine Gasförderplattform installieren. Die Bohrungen sollen teilweise unter dem Meeresboden in deutsches Hoheitsgebiet hineinreichen. Das mit den entsprechenden Umweltprüfungen betraute niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) hatte dafür bereits grünes Licht gegeben, es fehlte noch die Zustimmung aus Berlin.

Das Abkommen schaffe nun den rechtlichen Rahmen für die Zusammenarbeit, erklärte Reiche. Sie lobte die Niederlande als „starken Partner in der Energieversorgung“. Ihr Ministerium verwies darauf, dass so eine Vorgabe des Koalitionsvertrags umgesetzt werde, „wonach die Potenziale konventioneller Gasförderung in Deutschland genutzt werden sollen“. 

Die finale Genehmigung obliege nun dem Land Niedersachsen, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministerium. Eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums sagte, der Meeresschutz habe eine sehr hohe Priorität und diese werde auch weiterhin eingeräumt.

Pläne, an der niederländisch-deutschen Grenze in der Nordsee Erdgas zu fördern, gibt es seit Jahren. Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine waren sie aber weitgehend ad acta gelegt worden.

Der Dachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) fand im Vorfeld des Koalitionsausschusses scharfe Worte für das Abkommen. „Mitten in der Klimakrise stellt sich die Bundesregierung mit diesem Vertrag gegen ihre eigenen Klimaziele. Statt den Ausstieg aus fossilen Energien zu beschleunigen, wird neue Gasinfrastruktur für Jahrzehnte zementiert“, erklärte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne. „Das Abkommen stellt wirtschaftliche Interessen über Umwelt- und Klimaschutz.“ Der Verband bemängelt zudem eine fehlende Öffentlichkeitsbeteiligung.

Das LBEG in Niedersachsen hatte sein grünes Licht im August 2024 gegeben. Nach Angaben der Behörde werden die geplanten Bohrungen in einer Tiefe von 1500 Metern bis 4000 Metern unter dem Meeresgrund verlaufen und nicht in ein Schutzgebiet hineinreichen. Weder die Anwohner auf den nordfriesischen Inseln und am Festland noch das Schutzgebiet Wattenmeer seien betroffen. Die Behörde verwies damals auch auf den Gasbedarf Deutschlands.

Die Deutsche Umwelthilfe sprach von einem „Geschenk an die fossile Industrie“. Die Aktivisten verwiesen darauf, dass Reiche am Dienstag erst die Alarmstufe Gas im Notfallplan auf die Frühwarnstufe herabgesetzt habe – trotzdem „liefert die Bundesregierung Borkum und das Wattenmeer nur einen Tag später der fossilen Industrialisierung aus“. Die Bundeswirtschaftsministerin hatte am Vortag erklärt, die „Gasversorgungssicherheit in Deutschland“ sei hoch, die Voraussetzung für die Alarmstufe nicht mehr gegeben.

Reiches Vorgänger Robert Habeck (Grüne) hatte den Bohrungspläne ablehnend gegenübergestanden. Das Projekt sei für die Sicherung der deutschen Energieversorgung „nicht nötig“; Meeres- und Naturschutz erschienen ihm zudem als „gewichtige Argumente“ gegen das Vorhaben, sagte er im vergangenen Sommer dem „Spiegel“.