Energie: Hitze in Hessens Tiefe – Mehr Geothermie für Energiewende

„Vor der Hacke ist es dunkel“: Die Nutzung der schier unerschöpflichen Erdwärme hat große Vorteile – aber auch Risiken. Wie weit ist Hessen hier vorangeschritten?

In der Tiefe ist es heiß. Warum nicht mehr Erdwärme für die Energiewende nutzen? Das sieht auch das Landesenergieministerium in Wiesbaden so: „Um dem Voranschreiten des Klimawandels entgegenzutreten, ist auch in Hessen der massive Ausbau der Geothermie notwendig.“

Die Wärme in der Tiefe steht theoretisch immer überall zur Verfügung, unabhängig von Witterung und Jahreszeit. Das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie in Wiesbaden (HLNUG) erklärt: „Erdwärme ist äußerst zuverlässig, Erdwärme ist nach menschlichem Ermessen unerschöpflich.“ Ihre Nutzung braucht wenig Fläche im Vergleich zu Solarparks, Windrädern und Wasserkraftwerken.

Vorzugsregion bis Frankfurt

Aus Geothermie können sowohl Wärme und kombiniert Kälte als auch Strom gewonnen werden. Bei der Tiefengeothermie wird Erdwärme mit Bohrungen bis in mehrere Kilometer Tiefe genutzt. Gut für Hessen, dass der besonders hierfür geeignete Oberrheingraben bis nach Frankfurt verläuft. 

Geothermie ist indessen nicht ohne Risiken. Nicht jede teure kilometertiefe Bohrung muss von Erfolg gekrönt sein. Hessens früherer Energieminister Tarek Al-Wazir (Grüne) hat einst einen alten Bergmannsspruch zitiert: „Vor der Hacke ist es dunkel.“

Missglückte Bohrungen weiter südlich

Hinzu kommt der Blick gen Süden: Risse im badischen Staufen sowie Erbeben in der Schweiz und im Elsass haben dort vor Zeiten den Ruf der Geothermie ramponiert. Vor allem Pfusch und Fehler waren damals die Gründe. In Staufen lösten missglückte Bohrungen massive Schäden an Häusern aus. 

Das Energieministerium in Wiesbaden teilt mit: „Das wesentliche Risiko für tiefengeothermische Projekte ist das Fehlen fundierter Daten in Hessen und gleichermaßen bundesweit das Fündigkeitsrisiko.“ Eine Verbesserung der Datenlage und die „geplante Fündigkeitsversicherung des Bundes (KfW-Programm)“ könnten hier helfen. 

Oberflächennahe Geothermie vielerorts nutzbar

Experten unterscheiden zwischen einer vielerorts nutzbaren oberflächennahen Geothermie mit einer maximalen Tiefe von 400 Metern, einer mitteltiefen Erdwärmenutzung im Bereich von 400 bis 1.000 Metern sowie der Tiefengeothermie mindestens einen Kilometer unter der Erdoberfläche.

Das hessische Energieministerium erläutert: „Für die Beheizung und Klimatisierung von größeren Einzelobjekten wie beispielsweise Büro- und Verwaltungsgebäuden hat sich die Geothermie bisher als besonders geeignet und effizient herausgestellt.“ Dies solle daher weiter ausgebaut werden.

Landesweite Studie zur Geothermie

Von 2019 bis 2024 hat es in einigen Baugebieten Bohrungen gegeben, die dem Ministerium zufolge die Datengrundlage für Geothermie erweitern. Hinzu kämen mehrere regionale „Potenzialstudien“ für Kommunen. Eine landesweite Studie zur Geothermie „steht kurz vor der Veröffentlichung“, heißt es weiter. 

Bohrer dreht sich mehr als einen Kilometer tief

Eine besonders tiefe Probebohrung – 1.060 Meter – hat es 2023 in Frankfurt gegeben. Das Ministerium spricht von hohen Untergrundtemperaturen, „die effizientere geothermische Nutzungen in Frankfurt mit weit höheren Temperaturen als in gleicher Tiefe üblich ermöglichen“. Bis zu 20 Grad in 100 und 61 Grad in 1.060 Metern Tiefe seien gemessen worden.

Oberflächennahe Geothermie wird vor allem für die Beheizung und Kühlung von Gebäuden eingesetzt, etwa für Wohnhäuser. „Ende 2023 waren etwa 9.900 Erdwärmesonden-Anlagen in Hessen in Betrieb“, erklärt das Energieministerium. In ihnen zirkuliert Wärmeträgerflüssigkeit.

Erwärmt sich Grundwasser zu sehr?

Der Bund Naturschutz und Umwelt Deutschland (BUND) in Hessen warnt allerdings: Erdgebundene Wärmepumpen etwa für die Kühlung von Häusern im Sommer „können durch die Abgabe von Wärme in den Untergrund die Temperatur des Grundwassers erhöhen“. Mit womöglich negativen Folgen für Artenvielfalt und Selbstreinigungskraft des Wassers. 

Zwar seien Erdwärmesonden derartiger Wärmepumpen erlaubnispflichtig. Damit habe das Land Anforderungen an den Gewässerschutz eingeführt, „wonach eine dauerhafte Erwärmung des Untergrunds auszuschließen ist“. Doch fehlt laut BUND „eine kontinuierliche Überwachung der Grundwassertemperaturen“. Das Umweltministerium spricht von einem vorgeschriebenen Monitoring der Grundwassertemperatur „für größere Anlagen“. 

Erst wenige Wärmenetze mit Geothermie

Mit Geothermie betriebene Wärmenetze sind nach Angaben des Ministeriums in Hessen noch selten, „insbesondere aufgrund des Fündigkeitsrisikos und aufgrund der hohen Kosten, die mit dieser Technik verbunden sind“. 

In Bereichen, wo tiefe Geothermie voraussichtlich keine Rolle spielen kann, ermöglicht laut Ministerium eine oberflächennahe Nutzung mit Erdwärmesonden, Flachkollektoren und Brunnensystemen, in Kombination mit einer Wärmepumpe ein Wärmenetz zu versorgen. Ein Beispiel hierfür sei das mit einem sogenannten kalten Nahwärmenetz versorgte Baugebiet Bad Nauheim Süd. Hierbei wird dem Erdreich eher geringe Wärme entzogen, durch Rohre zu einzelnen Gebäuden transportiert und mit Wärmepumpen weiter erwärmt.

Geothermiekongress im November 2025 in Frankfurt