Verwaltungspanne: Nach IT-Skandal – Ist der große Lehrermangel damit beendet?

Die Panne um die Geisterlehrer ist nicht weniger als ein Skandal. Hintergründe, Folgen, Meinungen – alles, was man zu dem Debakel jetzt wissen muss.

Verbände und Opposition sprechen vom „größten Bildungsskandal seit Jahrzehnten“, von einer „Dysfunktionalität im Kernbereich staatlichen Handelns“ und vom „bildungspolitischen Super-GAU“. Was hinter dem Skandal um Geisterstellen in Baden-Württemberg steckt.

Was genau ist passiert?

Wegen einer schweren IT-Panne sind 1.440 Lehrerstellen im Südwesten versehentlich nicht besetzt worden. Grund ist ein IT-Fehler, der bis auf das Jahr 2005 zurückgeht, wie das Kultusministerium und das Finanzministerium eingeräumt hatten. Der Grund liegt wohl bei der Datenübertragung von einer Software zur anderen vor 20 Jahren. Der Fehler ist über all die Jahre unbemerkt geblieben. Und das, obwohl die Schulen im Südwesten seit vielen Jahren über Personalmangel klagen.

Ist die IT-Panne also die Ursache für den Lehrermangel?

Nein, auch wenn etwa FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke und mancher Bildungsverband die Panne bereits als Grund ausmachen für übervolle Klassen und Unterrichtsausfälle der vergangenen Jahre. „Das ist eine absurde Behauptung“, entgegnet der Ministeriumssprecher. Man hätte früher gar nicht die Bewerber gehabt, um die Geisterstellen zu besetzen. 

Was sind die Konsequenzen aus dem Debakel?

Kultusministerium und Finanzministerium bilden mit dem Rechnungshof eine Arbeitsgruppe, um die Ursache des Fehlers zu finden und ein verbessertes Controlling im Bereich der Kultusverwaltung zu ermöglichen. Aber viel wichtiger: Die 1.440 freien Stellen sollen zügig nachbesetzt werden. Gestärkt werden sollen unter anderem die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ), die Grundschulen und die Krankheitsreserve. Ob alle Stellen belegt werden, ist ungewiss. „Ich bin zuversichtlich, dass wir viele hinkriegen“, sagt der Sprecher des Kultusministeriums. 

Steht den Schulen im Land also ein Lehrerstellen-Segen bevor? 

Zu viel Hoffnung sollten sich Eltern und Schüler nicht machen. Denn auch wenn es um viele freie Stellen geht: Bei den 1.440 Stellen handelt es sich gerade mal um 1,5 Prozent des Personalbestands. Insgesamt gibt es 95.000 Stellen im Land, die sich auf 4.500 Schulen verteilen. Selbst wenn es das Kultusministerium schaffen sollte, für jede Stelle einen Bewerber zu finden, dann wäre das gerade mal ein Lehrer für jede dritte Schule. Der Realschullehrerverband spricht von zehn Wochenstunden pro Schule. „Das ist ein minimaler Effekt, da kommt nicht der große Regen“, dämpft das Ministerium schon mal die Erwartungen. 

Gibt es überhaupt genug Bewerber?

Das ist ungewiss. Aber die Bewerberlage sei besser als früher, so das Kultusministerium – unter anderem, weil die Regierung mehr Studienplätze geschaffen habe. Man könne sich die Lehrer trotzdem nicht einfach herbeizaubern. Es gebe nach wie vor ein sehr „exklusives Mobilitätsverhalten“ der Anwärter, sagt der Ministeriumssprecher. Viele Lehramtsbewerber wollten etwa nicht in den ländlichen Raum, sondern lieber in städtische Gegenden wie Freiburg. „In manchen Kreisen haben wir Absagen von 50 Prozent.“ 

Das Land hat wegen der Panne über lange Zeit viele Millionen Euro nicht ausgegeben – erhalten die Schulen nun das ganze Geld?

Das fordert zumindest die Bildungsgewerkschaft GEW. Jeder Euro, der in den vergangenen Jahren auf Kosten der Kinder nicht an die Schulen geflossen sei, müsse in die Bildung zurückfließen. 1.440 Stellen würden pro Jahr laut Kultusministerium rund 120 Millionen Euro kosten. Aber auch aus einem Geldregen für die Schulen wird nichts. Denn für die Gehälter der Geisterlehrer ist nichts abgeflossen. „Das Geld lag nicht in irgendeinem Tresor“, sagt der Kultussprecher. „Das Land hat kein Geld eingespart, deshalb kann es auch nichts zurückzahlen“, sagt auch der Sprecher des Finanzministeriums.

Aber haben die Haushälter nicht Millionen zurückgehalten für die Stellen?

Nein. Tatsächlich haben die Geisterstellen in der Haushaltsaufstellung überhaupt keine Rolle gespielt, für sie wurde kein Geld verplant. Bei der Haushaltsplanung schaue man nämlich nicht auf die Zahl der Ist-Stellen in der Kultusverwaltung, so der Sprecher des Finanzministeriums – sondern auf den Betrag, den die Kultusministerin in der Vergangenheit für die Stellen ausgegeben hat. Da kein Geld abgeflossen ist, wurden die Geisterstellen also bei der Finanzierung nicht berücksichtigt. Deshalb müssen die Stellen nun auch neu finanziert werden. Die gute Nachricht: Für solche Fälle habe die Regierung Reserven gebildet, sagt der Finanzsprecher. Der Topf für ungeplante Personalkosten nennt sich „Personalglobaltitel“.