Die deutsche Nationalmannschaft hat es überraschend ins Halbfinale der Frauen-EM geschafft. Das Endspiel ist das Ziel – doch davor wartet der dickste Brocken des Turniers.
Nach diesem Spiel scheint alles vorstellbar: Gegen Frankreich hat die deutsche Frauen-Nationalmannschaft nicht nur die Klatsche gegen Schweden verdaut, sondern sich auch gegen einen starken Gegner nach Rückstand in Unterzahl zurückgekämpft und schließlich durchgesetzt. Der kämpferische Auftritt im Viertelfinale macht Mut für die kommende Aufgabe.
Doch die hat es in sich. Im Halbfinale der Frauen-EM trifft die Mannschaft von Bundestrainer Christian Wück auf Spanien (21 Uhr). Gegen die Weltmeisterinnen ist Deutschland klarer Außenseiter, ein Weiterkommen wäre eine Überraschung. Aber vielleicht liegt genau darin die Chance für das deutsche Team.
Spanien bisher das überragende Team der Frauen-EM
Spanien gilt als die Übermannschaft im Frauenfußball schlechthin – so wie es die Spanier bei den Männern vor 15 Jahren waren, zu besten Tiki-Taka-Zeiten. Die Frauen werden diesem Ruf bei dem Turnier in der Schweiz gerecht: Durch ihre Gruppe marschierten sie mit drei Siegen und 14 Toren, also durchschnittlich fast fünf Treffern pro Spiel.
Im Viertelfinale gegen die Gastgeberinnen aus der Schweiz gab es „nur“ ein 2:0. Der Sieg hätte aber noch deutlich höher ausfallen können, Spanien verschoss zwei Elfmeter. Ein paar repräsentative Zahlen aus der Partie: 72 Prozent Ballbesitz, 88 Prozent erfolgreiche Pässe, 23:4 Torschüsse. Spielerische Dominanz liegt in der DNA des spanischen Fußballs.
Einige der besten Spielerinnen der Welt laufen für Spanien auf. Alexia Putellas vom FC Barcelona beispielsweise, die national und international schon jeden Titel gewonnen hat – außer dem EM-Pokal. Neben ihr im Mittelfeld agiert mit Aitana Bonmatí (ebenfalls vom FC Barcelona) die Spielerin, die aktuell wohl das Maß aller Dinge im Frauenfußball ist. Bonmatí wurde in den vergangenen zwei Jahren jeweils zur Weltfußballerin gekürt, Putellas in den beiden Jahren davor.
Personalprobleme bei den DFB-Frauen
Von der Weltklasse ist die deutsche Mannschaft derzeit ein ganzes Stück entfernt. In der Vorrunde kam die DFB-Elf zu zwei glanzlosen Siegen und zeigte beim 1:4 gegen Schweden eine enttäuschende Leistung. Das Viertelfinale gegen Frankreich hat zwar eine Mini-Euphorie ausgelöst. Die sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Französinnnen das klar bessere Team waren und Deutschland in der Offensive kaum stattfand.
Darüber hinaus plagen Bundestrainer Wück Personalprobleme. Kapitänin Giulia Gwinn und Sarai Linder haben sich während des Turniers verletzt, Sjoeke Nüsken und Katrin Hendrichfehlen gesperrt. Auch stecken den Deutschen die 120 Minuten plus Elfmeterschießen in den Knochen. Das kann vor allem gegen die ballsicheren Spanierinnen ein Nachteil sein.
„Ich glaube, wir werden viel hinterherlaufen. Wir werden viel leiden müssen, weil wir keinen Ball haben“, sagt Wück. Dennoch kündigt er einen „heißen Tanz“ an. Sein Team will mit Teamgeist, Kampfstärke und Mentalität überzeugen. Die Energieleistung gegen Frankreich habe „mental noch mal einen Riesen-Push“ gegeben, erklärt Wück: „Die Mädels wollten unbedingt beweisen, was in ihnen steckt und dass wir solche Nackenschläge einstecken können und da zurückkommen.“
In der Außenseiterrolle fühlt sich das DFB-Team durchaus wohl. Hoffnung macht auch die Statistik: In acht direkten Duellen hat Deutschland gegen Spanien noch nie verloren. Hält die Serie, kommt es am Sonntag gegen England zur Neuauflage des EM-Finales von 2022.