Auf der Suche nach 350 Kilogramm Marihuana soll eine Kriminellen-Gruppierung in Köln zu besonders brutalen Mitteln gegriffen haben. Eins davon: eine Geiselnahme. Um sie geht es in einem neuen Prozess.
Im Zusammenhang mit dem sogenannten Kölner Drogenkrieg hat ein weiterer Strafprozess begonnen – es geht darin um ein besonders brutales Kapitel der eskalierten Fehde im Bandenmilieu. Angeklagt sind drei Männer im Alter von 20 bis 21 Jahren. Ihnen wird die Beteiligung an einer Geiselnahme vorgeworfen, bei der ein Mann und eine Frau in einer Villa in Köln schwer misshandelt worden seien. Alle drei Angeklagten räumten zu Prozessbeginn über ihre Anwälte ein, in die Tat involviert gewesen zu sein.
Die Geiselnahme und ihre Ausführung hatten viele Beobachter im Juli 2024 sprachlos gemacht. Ein Spezialeinsatzkommando hatte sie damals beendet. Schauplatz war eine Villa im eigentlich recht ruhigen Kölner Stadtteil Rodenkirchen, in der die Täter brutal gegen ihre entführten Opfer vorgegangen sein sollen. Die Polizei sprach danach von einer neuen „Dimension der Gewalt im Bereich der organisierten Kriminalität“.
Opfer wurden mutmaßlich misshandelt, gefilmt und bedroht
Die in der Anklage gegen die drei Männer enthaltenen Details unterstrichen die Einschätzung. Die beiden Opfer, die unter einem Vorwand in Bochum zu einem Treffen gelockt, in einen Transporter gezwungen und in das Haus gebracht worden seien, seien entkleidet, geknebelt, mit Waffen bedroht und unter anderem mit einer Eisenstange geschlagen worden. Immer wieder seien sie dabei aufgefordert worden, mit Informationen herauszurücken. Von den Misshandlungen seien Videos angefertigt worden, auf denen der Mann blutend auf dem Boden gelegen habe. Die Staatsanwaltschaft sprach von 23 „einzelnen Gewalteinwirkungen“ auf den Mann. Der Anwalt eines Angeklagten beschrieb das Geschehen mit dem Wort „foltern“.
Auslöser für den „Kölner Drogenkrieg“ – und damit auch die Geiselnahme – soll das Verschwinden von 350 Kilogramm Marihuana aus einer Lagerhalle in Hürth gewesen sein. Eine Kölner Drogenbande hatte den Stoff dort nach Erkenntnissen der Ermittler deponiert. Als er mutmaßlich geraubt wurde, wollte die geprellte Gruppe offenbar herausfinden, wer das Versteck verraten hatte. Das löste eine regelrechte Gewaltspirale aus, in der Sprengsätze explodierten und Häuser beschossen wurden.
Mit der Geiselnahme der Frau und des Mannes sollen die Angeklagten – ein deutscher, ein syrischer und ein niederländischer Staatsangehöriger – zusammen mit anderen Beschuldigten gehofft haben, an Informationen zu dem Verbleib des Marihuanas zu kommen. Dabei sollen sie auch den Bruder des entführten Mannes massiv unter Druck gesetzt haben, Informationen herauszurücken.
Geständnisse und Aussagen der Verteidiger
Der 20 Jahre alte Niederländer berichtete über seine Anwältin, er sei über ein soziales Netzwerk gefragt worden, ob er „für 5.000 Euro jemanden schlagen würde“. Da er sich in einer schwierigen Lage befunden habe, habe er sich darauf eingelassen. Er habe aber keine Vorstellung davon gehabt, dass es sich um eine Entführung handeln würde. Er sei dafür nach Deutschland gebracht worden.
Der Anwalt des 20 Jahre alten deutschen Angeklagten sagte, dass sein Mandant eine „Mitläufer-Stellung“ gehabt habe, auch wenn er nichts bagatellisieren wolle. Er werde sich auch ausführlich zu seinen Taten äußern, aber keinesfalls zu anderen Beteiligten. Der Grund sei, dass er Sorge um sein „eigenes Wohlbefinden“ habe.
Der dritte Angeklagte ließ über seinen Anwalt erklären, dass es sich um eine „schleichende Entwicklung“ gehandelt habe, durch die er in die Geiselnahme hereingezogen worden sei.
Mehrere Prozesse zum Drogenkrieg-Komplex
Zu dem Drogenkrieg-Komplex sind in Köln bereits mehrere Prozesse am Landgericht gestartet. In einem Fall gab es auch schon ein Urteil. Ein Mann wurde zu vier Jahren Haft verurteilt. Er hatte nach Erkenntnissen des Gerichts Geld und Waffen für die Geiselnahme besorgt.