Thailand und Kambodscha haben sich auf eine Waffenruhe verständigt – je nach Lesart sorgten die USA oder China dafür. Für Urlauber aber besteht weiterhin eine Reisewarnung.
Vier Tage lang bekämpften sich beide bis aufs Blut. Thailand und Kambodscha stritten und streiten um den Verlauf der gemeinsamen Grenze. Mehr als 30 Menschen verloren ihr Leben. Etliche sind verwundet und mindestens 200.000 flüchteten vor den Kämpfen. Am Montag jedoch wurde eine „sofortige und bedingungslose“ Feuerpause verkündet.
Auf Vermittlung Malaysias einigten sich die Streitenden – wohl auch auf Druck der USA und Chinas. Ist die Sache damit erledigt und sind Reisen in die Region wieder unbeschwert möglich? Experten trauen sich bis dato noch keine Prognose zu. Das hängt auch mit der Vorgeschichte des Konfliktes zusammen.
Auswärtiges Amt spricht Teilreisewarnung für Thailand aus
Die Experten des Auswärtigen Amtes warnen noch immer vor Reisen ins Grenzgebiet von Thailand und Kambodscha. Dort – im Südosten Thailands – sei für einen Korridor von circa 50 Kilometern in vielen Gegenden das Kriegsrecht verhängt worden.
Auch für den Südwesten Thailands gilt eine Warnung: „An der Grenze zu Malaysia kommt es regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen Separatistengruppen und Sicherheitskräften sowie zu terroristischen Anschlägen“, teilweise gelten Notstandsgesetze.
Ursprung des Konflikts 1907
Doch warum gibt es eigentlich Streit? „Die Grenzziehung wurde 1907 von der damaligen Kolonialmacht Frankreich vollzogen und ist seit mehr als 100 Jahren umstritten“, fasst Südostasien-Experte Felix Heiduk von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ die Ursprünge zusammen. Kern ist das sogenannte Smaragd-Dreieck. Hier treffen die thailändische Provinz Surin, die kambodschanische Provinz Oddar Meanchey sowie der Nachbarstaat Laos aufeinander.Südostasien-Experte Felix Heiduk von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“
© SWP
Der Konflikt zwischen Thailand und Kambodscha ist vor allem durch territoriale Streitigkeiten geprägt, insbesondere um die Region rund um den Preah Vihear Tempel. Dieser Tempel, der auf einem Berg an der Grenze zwischen beiden Ländern liegt, ist Unesco-Weltkulturerbe und hat historische und kulturelle Bedeutung für beide Nationen.
Die Hauptursache des Konflikts ist die unklare Grenzziehung, die auf die Kolonialzeit zurückgeht. Die Grenze wurde in der Vergangenheit durch verschiedene Verträge und Vereinbarungen festgelegt, die oft nicht eindeutig waren. Speziell ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs von 1962 stellte fest, dass der Tempel zu Kambodscha gehört, was zu Spannungen und militärischen Auseinandersetzungen zwischen beiden Staaten führte.
Die Herrscherfamilien
„Die Verantwortung für die jüngste Eskalation liegt aber allein bei den regierenden Eliten in Kambodscha und Thailand“, so Heiduk. Es würden dabei vor allem innenpolitische Faktoren wie Nationalismus und die derzeitige innenpolitische Krise in Thailand eine Rolle spielen. Auch „das öffentliche Zerwürfnis zwischen den derzeit regierenden Familien in Kambodscha (Hun-Familie) und Thailand (Thaksin-Familie)“ gehört laut Heiduk zur konfliktreichen Gemengelage, denn „Politik ist hochgradig personalisiert in beiden Ländern.“
Einfluss und Ausblick
Was gab den Ausschlag für das aktuell zwar wackelige, aber im Kern funktionierende Waffenstillstandsabkommen? „Sowohl die USA, China als auch Malaysia, was derzeit den Asien-Vorsitz innehat, haben öffentlich Druck auf die Konfliktparteien gemacht, sich zu Verhandlungen zusammenzusetzen“, fasst Heiduk zusammen.
Ob oder wie lange es in der Region friedlich bleiben wird, kann natürlich niemand verbindlich wissen. „Ich halte es für plausibel, dass es, ähnlich wie nach der letzten Eskalation 2011 wieder zu einem de facto Einfrieren des Grenzkonfliktes ohne effektives Konfliktmanagement oder gar eine Lösung des Konfliktes kommen wird“, schätzt der Politikwissenschaftler Heiduk ein. Zwar wäre das nicht die Ideallösung, „aber immerhin würde so eine weitere Eskalation der Gewalt verhindert und die Grenzregion mittelfristig wieder stabilisiert.“
Quellen: Auswärtiges Amt (1), (2)