Im November 1990 wird der Klavierlehrer Rafael Blumenstock in Ulm brutal ermordet. Durch einen TV-Aufruf erhoffen sich die Ermittler nun neue Hinweise.
Wer tötete Rafael Blumenstock? Und warum? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Polizei Ulm bereits seit fast 35 Jahren. Der damals 28-Jährige wurde Opfer eines brutalen Verbrechens. Am Morgen des 4. November 1990, um 6.35 Uhr, entdeckte ein Mitarbeiter der Ulmer Straßenreinigung seinen leblosen Körper am Rande des Münsterplatzes – zwischen einem Pflanzenkübel und einem geparkten Auto.
Die Leiche des jungen Mannes war brutal zugerichtet: Er war mit Fäusten geschlagen, mit Stiefeln getreten und erstochen worden. 21 Messerstiche stellten Gerichtsmediziner später fest. Auch ein Teil seiner Nase war abgetrennt.
Der studierte Klavierlehrer konnte erst einen Tag später identifiziert werden – so stark war sein Gesicht entstellt. Experten sprechen in solchen Fällen von einer sogenannten „Übertötung“. Diesen Begriff nutzen Ermittler, wenn sie eine Tat beschreiben, bei dem der Angreifer gegenüber dem Opfer deutlich mehr Gewalt anwendet, als zur eigentlichen Tötung nötig gewesen wäre.
Die Ulmer Polizei richtete die 35-köpfige Sonderkommission „Münsterplatz“ ein. Da Blumenstock gerne Frauenkleidung trug, offen queer lebte und laut Ermittlern gezielt Kontakte zu Männern suchte, vermutete man die Täter in einer homophoben, möglicherweise rechten Gruppierung.
Der ehemalige Musikstudent soll häufig Fremde in Bars nach ihrem Namen oder ihrer Telefonnummer gefragt haben. Seit seiner Kindheit fühlte er sich im falschen Körper, schminkte sich gelegentlich und trug auch gerne Frauenkleidung. So auch in jener Nacht. Er streifte durch diverse Bars, besuchte ein Konzert und verbrachte einige Stunden in einem besetzten Haus an der Ulmer Friedenstraße. Zeugen sahen ihn um 5.20 Uhr das letzte Mal in der Nähe des Münsterplatzes.
Cold Case aus Ulm am Mittwoch bei „Aktenzeichen XY“
Etwa 20 Minuten später, so vermuten die Ermittler, muss er angegriffen worden sein. Eine Frau, die in der Nähe mit ihrem Mann in einem Wohnmobil übernachtete, hörte Schreie. Kurz darauf sah sie drei junge Männer in einem Kleinwagen vom Tatort fliehen.
In der Nähe des Tatorts fand man später eine nicht zugeordnete Goldkette sowie einen blutigen Handabdruck auf einem Auto. Im Gesicht des Opfers fand man den Abdruck eines Stiefels. Die Polizei verglich damals Schuh- und Handabdrücke von über 2000 Personen, ohne Erfolg. DNA-Untersuchungen und neue forensische Methoden – auch an Material, das unter den Fingernägeln des Opfers gefunden wurde – führten laut Polizei bislang zu keinem Täter.
Bis heute gilt der Fall als ungelöst. An das Opfer erinnert heute eine 60 Zentimeter hohe Gedenkstele auf dem Ulmer Münsterplatz. Die Granitplatte war von Blumenstocks inzwischen verstorbenem Vater gestaltet worden. Der Ulmer Münsterplatz: Hier wurde Rafael Blumenstock im November 1990 Opfer eines brutalen Verbrechens
© imageBROKER/Katharina Hild
Durch einen Aufruf in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ an diesem Mittwoch (20.15 Uhr) erhoffen sich die Ermittler nun neue Hinweise zu dem Fall.
Quellen: SWR, Zeit, aida-archiv.de, Akte Südwest, Stadt Ulm