morgen|stern: 100 Tage Kanzler Merz: Außen hui, innen pfui? Die Lage am Morgen

Schlechte Zwischenbilanz für Schwarz-Rot nach 100 Tagen, großes Plastikabkommen droht zu scheitern und: Fast-Food-Ketten müssen mehr Mehrweg. Das ist heute wichtig.

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!

100 Tage jung ist die schwarze-rote Koalition und ihr Chef, Kanzler Friedrich Merz, feierte dies mit einem diplomatischen Erfolg: ein Video-Gipfel mit US-Präsident Donald, zu dem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sogar persönlich nach Berlin reiste. Anlass war das bevorstehenden und mit Spannung erwarteten Treffens zwischen Trump und Wladimir Putin am Freitag. Und die Videoschalte, so heißt es aus Regierungskreisen, verlief gut. Trump jedenfalls geht auf die Ukraine zu und droht Russland mit Sanktionen, sollte der Kreml nicht einlenken.

Auch für Merz ist das ein Erfolg. Der CDU-Kanzler beweist außenpolitisches Geschick: Er tritt als entschlossener Europäer und Unterstützer der Ukraine auf, stärkt die Beziehungen zu Paris und London und scheint sogar bei Trump einen Stein im Brett zu haben.

100 Tage Merz: Zu viel Außen, zu wenig Innen?

Auf der internationalen Bühne erntet Merz Applaus, doch auf den bundesrepublikanischen Brettern gerät er ins Wanken. Opposition, die Wähler – sie alle attestieren Schwarz-Rot ein schlechtes Zwischenzeugnis.

Fairerweise muss man sagen: 100 Tage sind noch keine lange Zeit. Bis zur nächsten geplanten Bundestagswahl 2029 bleibt genug Raum, um noch viel zu reißen, wenn man denn will. Doch die Vorzeichen stehen schlecht.

Der koalitionsinterne Streit um die Verfassungsrichterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf belastet das Verhältnis zwischen Union und SPD. Das Waffenembargo für Israel sorgte für Unruhe in der Union, und bei Sozialpolitik und Stromsteuer gibt es weiter Zoff. Und da war ja noch die Kanzlerwahl im zweiten Anlauf. Und auch sonst wird der Ton zwischen den Koalitionsparteien rauer.

Das spiegelt sich in der Stimmung der Bürger wider. Laut dem aktuellen „Trendbarometer“ von RTL/ntv sind 67 Prozent der Befragten unzufrieden mit Merz‘ Arbeit – drei Prozentpunkte mehr als eine Woche zuvor. Eine am Mittwoch veröffentlichte Civey-Umfrage zeigt: 39 Prozent der Deutschen bewerten Schwarz-Rot schlechter als die Ampel. Autsch.

Und als wäre das nicht genug, tritt die FDP kräftig nach. Ja, ausgerechnet die. Deren Chef Christian Dürr kritisierte in der „Rheinischen Post“ den fehlenden Politikwechsel und warf Merz vor, „sogar noch hinter Angela Merkel zurückzufallen“.

Dabei hat die Koalition einiges angestoßen. Laut Vize-Regierungssprecher Steffen Meyer wurden in den ersten 100 Tagen 118 Vorhaben auf den Weg gebracht – im Schnitt 1,18 pro Tag also. „Wachstumsbooster“, Haushalt, Rentenpaket, „Bauturbo“, Migrationswende. Schon vor der Kanzlerwahl war ein Aufweichen der Schuldenbremse unter Dach und Fach. Doch bei den Wählern bleibt (wie bei der Ampel) vor allem das interne Gezänk hängen – und ein Kanzler in diplomatischer Mission.

Hat sich Merz zu sehr auf die Außenpolitik konzentriert?

„Ja, den Eindruck hat man“, sagte der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel der Nachrichtenagentur AFP. „Problematisch ist die Attitüde des Kanzlers: ‚Ich denke ganz groß, ich denke in langen Linien, ich denke in großen Bildern und das Kleingedruckte lösen andere‘.“ Doch die Konflikte steckten „im Kleingedruckten: bei der Richterwahl, beim Bürgergeld, beim Umgang mit den Ukrainern“.

Merz hat bereits eingeräumt, dass nicht alles glatt gelaufen ist. „Wir müssen etwas nachjustieren, und das tun wir auch“, hat er versprochen. Und damit muss er sich sputen. Denn den kommenden Monaten stehen Union und SPD vor noch größeren Herausforderungen: Sie brauchen dringend Geld. In der Finanzplanung gibt es für 2027 bis 2029 eine Lücke von rund 172 Milliarden Euro. Allein 2027 müssen 34 Milliarden eingespart werden. Die Ampel scheiterte an einem Bruchteil dieser Summe.

Und als wäre das nicht genug, stehen 2026 fünf Landtagswahlen an – darunter die in Sachsen-Anhalt, wo die AfD besonders stark ist. Nicht umsonst hat CSU-Chef Söder die schwarz-rote Koalition schon als „letzte Patrone der Demokratie“ bezeichnet.

Was meinen Sie, liebe Leserinnen und Leser? Kriegt Schwarz-Rot noch die Kurve? Oder steht uns ein Aus a lá Ampel bevor?

Mehr zu 100 Tage Schwarz-Rot können Sie auch in unserem Podcast „6×5-Minuten-Talk“ hören: 

Plastik-Panik

Nach über einer Woche Gespräche in Genf bleibt ein globales Abkommen gegen Plastikmüll in weiter Ferne. Die Verhandlungen für ein UN-Plastikabkommen gehen am Donnerstag in die offiziell letzte Runde, doch Teilnehmende halten ein Scheitern für möglich. Am Mittwoch, dem vorletzten Verhandlungstag, standen sich Erdöl produzierende Staaten und ihre Verbündeten unversöhnlich gegenüber Vertretern der EU, Lateinamerikas und Umweltschützern. Mehrere Staaten und die EU wiesen eine neue Vorlage für das Abkommen entschieden zurück.

Eigentlich wollten rund 180 Länder den Vertragstext heute abschließen. Unterhändler halten es jedoch für wahrscheinlich, dass die Gespräche bis in die frühen Morgenstunden des Freitags andauern. Das geplante UN-Abkommen soll Design, Produktion und Entsorgung von Plastik weltweit regeln.

Erdölproduzenten wie die Golfstaaten, Russland und die USA blockieren laut Teilnehmern Fortschritte, da sie die Rohstoffe für Plastik liefern. Die Verhandlungen in Genf folgen auf die gescheiterten Gespräche im südkoreanischen Busan im vergangenen Dezember, die ursprünglich den Abschluss des Abkommens bringen sollten.

Und das wäre dringend notwendig: Plastikmüll verschmutzt weltweit die Umwelt. Mikropartikel des Kunststoffs finden sich sogar im menschlichen Körper. Jährlich entstehen mehr als 400 Millionen Tonnen Plastik, die Hälfte davon für Einwegprodukte. Weniger als zehn Prozent des Plastikmülls werden recycelt. Bis 2060 könnte sich die Plastikproduktion Schätzungen zufolge sogar verdreifachen.

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Mal was Positives

Wer schnell mal einen Happen zwischen die Zähne bekommen will, greift unterwegs gerne mal zu Fast Food. Dabei entsteht jedoch ein Berg an Verpackungsmüll: Allein in Deutschland werden jährlich fast drei Milliarden Einwegbecher für Getränke verbraucht.

Seit dem 1. Januar 2023 sind Restaurants, Cafés, Tankstellen und Supermärkte verpflichtet, Mehrwegbehälter als Alternative anzubieten. Doch Stichproben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zeigen, dass sich nicht alle daran halten. Die DUH hat deshalb mehrere Fast-Food-Ketten verklagt.

Die Landgerichte in Berlin und Frankfurt haben nun laut DUH entschieden, dass nachgebessert werden muss. Darüber berichteten unter anderem der SWR und die „taz“. Die Richter verurteilten Franchisenehmer von Nordsee, Burgermeister, Subway und Burger King dazu, in den getesteten Filialen ein Mehrwegangebot einzuführen oder zu verbessern. Sie müssen für alle Getränke und Speisen, die unter die Mehrwegpflicht fallen, entsprechende Verpackungen bereitstellen. Erfüllen die Betreiber die Auflagen nicht, drohen ihnen laut „taz“ Ordnungsgelder von bis zu 250.000 Euro.

Unsere stern+-Empfehlung des Tages

Der Manitu ist wieder da – und trifft auf eine hochnervöse Gesellschaft. Bully Herbig, Christian Tramitz und Rick Kavanian über „Das Kanu des Manitu“ und alte Bleichgesichter:

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Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Donnerstag! Herzlich, Ihr

Rune Weichert

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