Nach der Ermordung von Charlie Kirk spitzt sich der Kulturkampf in den USA weiter zu. In den sozialen Netzwerken wittern einige schon einen Bürgerkrieg.
Charlie Kirks Markenzeichen war die Provokation. Kaum ein Influencer in den USA spaltete das Publikum so sehr wie der christlich-nationalistische Aktivist. Für seine Fans war er eine Offenbarung: rhetorisch brillant, schlagfertig, jung und stramm rechtsnational. Für seine Gegner war er eine Reizfigur: rassistisch, fremdenfeindlich, trans- und homophob. Müsste man sich einen rechten Kulturkämpfer ausdenken, er würde vermutlich ungefähr so aussehen wie Kirk. Am Mittwoch sprach der 31-Jährige gerade bei einer Kundgebung an der Utah Valley Universität über Waffengewalt durch Transmenschen, als er erschossen wurde.
Prominente äußern sich zum Tod von Charlie Kirk – und werden virtuell niedergebrüllt
Der gewaltsame Tod des rechten Meinungsmachers ist ein neuer Tiefpunkt in den politisch so unversöhnlichen USA. Der Moment einer gemeinsamen Solidarität von Fans und Gegnern Kirks währte nur einen ersten kurzen Schockmoment. Spätestens als sich die Nachricht seines Todes verbreitete, setzte sich eben jener Kulturkampf fort, den Kirk zuvor so spielerisch beherrschte. Nur jetzt ohne ihn in der ersten Reihe.
Viele Prominente äußerten sich kurz nach dem Anschlag in den sozialen Medien. Drückten wahlweise ihr Beileid, ihre Häme oder ihr Entsetzen aus, nur um in den Kommentarspalten von dem einen oder anderen Lager niedergebrüllt zu werden.
Ex-Präsident Barack Obama etwa erklärte: „Wir wissen noch nicht, was die Person motiviert hat, die Charlie Kirk erschossen hat, aber diese Art abscheulicher Gewalt hat in unserer Demokratie keinen Platz. Michelle und ich werden heute Abend für Charlies Familie beten, insbesondere für seine Frau Erika und ihre beiden kleinen Kinder.“ Obama
Was eigentlich nach Solidarität klingt, reizte viele Nutzer offenbar bis aufs Blut. „Sie haben mit der Gewalt gegen Republikaner angefangen! Sie müssten im Gefängnis sitzen“, kommentierte etwa ein Nutzer auf X. „Demokraten sind inländische Terroristen“, ein anderer.
Verschwörungstheoretiker sehen schon den Bürgerkrieg aufziehen
Kirks Tod hinterließ in den sozialen Medien ein virtuelles Schlachtfeld aus Anschuldigungen, Verschwörungstheorien und Gewaltfantasien. Der Verschwörungstheoretiker Alex Jones postete ein Video von sich, in dem er mehrmals in Tränen ausbricht und Kirk huldigt. Am Ende des Clips erklärt er: „Diese Bastarde von den Lügenmedien vertuschen den Tod auch noch! Doch wir holen uns unser Land zurück!“ Eine absurde Anschuldigung, keine Zeitung in den USA war an diesem Tag nicht voll der Berichterstattung über den Anschlag. Seinen Followern spricht Jones aber offenbar aus der Seele. Sie sehen bereits einen Bürgerkrieg aufziehen: „Das waren die Linken! Charlie hat Anhänger an Unis gefunden, das ist die letzte Bastion der Linken. Das konnten sie nicht weiter zulassen.“Jones
Autor Stephen King nutzte die Situation, um auf eines seiner Herzensthemen aufmerksam zu machen. Auf X schrieb er: „Das Motiv des Mannes, der Charlie Kirk erschoss, ist unklar (obwohl er vermutlich psychisch instabil ist). Klar ist jedoch, dass es sich um ein weiteres Beispiel amerikanischer Waffengewalt handelte.“ King setzt sich bereits seit Jahren für strengere Waffengesetze in den USA ein. Sein Post traf aber wohl vor allem bei Kirks Anhängern einen Nerv. Mehr als 30.000 (!) Kommentare sammelten sich unter seinen Zeilen. Darunter Todeswünsche und Beleidigungen. King
Doch auch auf der linksliberalen Seite vergriffen sich viele Menschen im Ton. Matthew Dowd, TV-Kommentator des eher links eingestellten Senders MSNBC erklärte in einer Schalte kurz nach dem Attentat auf Kirk: „Er war eine der umstrittensten jüngeren Persönlichkeiten, die ständig diese Art von Hassrede verbreiten und gegen bestimmte Gruppen zielen. Man kann diese Gedanken nicht haben, die Worte nicht aussprechen und dann davon ausgehen, dass keine schlimmen Taten folgen. Leider ist das unsere Realität.“
MSNBC entlässt Kommentator wegen Verharmlosung des Anschlags
Dowds Statement löste eine Welle der Empörung unter den Zuschauern aus. Der Sender entschuldigte sich kurzerhand, laut mehreren Medien wurde Dowd mit sofortiger Wirkung entlassen. Später bat auch er persönlich um Entschuldigung für seinen Tonfall.
Charlie Kirk war für die Maga-Bewegung um Donald Trump ein wichtiges Sprachrohr für junge Menschen. Berühmt wurde er mit seiner Videoreihe „Prove me wrong“ (dt.: „Beweis mir das Gegenteil“), in der er provokative Thesen aufstellte und mit Menschen diskutierte, die eine fundamental andere Meinung hatten als er. Durch sein rhetorisches Talent und seine Schlagfertigkeit gelang es ihm, auch erzkonservative und rechtsnationale Positionen einem jungen Publikum näherzubringen.
Dabei verlor Kirk sich aber auch immer wieder in Rassismus und Verschwörungstheorien. Beispielsweise erklärte er in einem solchen Streitgespräch, er sei der Meinung, schwarzen Menschen sei es besser ergangen, als sie noch Sklaven waren. Und „begründete“ dies mit der Kriminalstatistik vor 1940, in der Gewalttaten von Schwarzen angeblich deutlich seltener gewesen seien.