Studien deuten darauf hin, dass Alkohol schon immer ein natürlicher Teil der menschlichen Ernährung war. Auch Tiere sind offenbar keine Ausnahme, zeigt eine neue Untersuchung.
Trinkende Menschen teilen ihre Vorliebe für Alkohol mit ihren nächsten Verwandten: Wildlebende Schimpansen nehmen beim Fressen reifer Früchte regelmäßig geringe Mengen Ethanol auf. Das zeigt eine im Fachjournal „Science Advances“ veröffentlichte Studie – und stützt damit die These, dass die menschliche Alkoholneigung tief in der Evolution verwurzelt ist. Die Wissenschaftler verwenden den Begriff Ethanol dabei synonym zu Alkohol – gemeint ist also der gewöhnliche Trinkalkohol.
Ein internationales Team um die Biologen Aleksey Maro und Robert Dudley von der University of California in Berkeley untersuchte den Alkoholgehalt von Früchten, die Schimpansen in Uganda und an einem Standort in der Elfenbeinküste häufig fressen. Die untersuchten reifen Früchte von 20 Arten enthielten im Mittel rund 0,3 Prozent Ethanol.
Da Schimpansen pro Tag etwa 4,5 Kilogramm Früchte verzehren, nehmen sie durchschnittlich rund 14 Gramm Alkohol auf. Das entspricht in etwa der Menge, die in einem 0,33-Liter-Bier enthalten ist. Als eine Einheit Alkohol werden in der Regel rund 10 bis 12 Gramm reiner Alkohol bezeichnet – also etwa der Gehalt eines kleinen Glases Wein oder eben eines Bieres. Auf ihr geringeres Körpergewicht umgerechnet entspricht die tägliche Menge bei Schimpansen fast zwei Einheiten beim Menschen.
Alkoholrausch bei Schimpansen bleibt aus
„Weil die Tiere täglich fünf bis zehn Prozent ihres Körpergewichts an reifen Früchten fressen, führen schon niedrige Konzentrationen zu einer hohen Tagesmenge – also einer substanziellen Dosis Alkohol“, sagt Robert Dudley. Die Forschenden schreiben, dass diese Raten mit heutigen gängigen Trinkmustern beim Menschen vergleichbar sind.
Die Schimpansen zeigten dabei keine auffälligen Anzeichen von Trunkenheit. „Der Verzehr zieht sich über den Tag, und wir sehen keine offensichtlichen Rauschzeichen,“ sagte Maro. „Um überhaupt einen Schwips zu bekommen, müsste ein Schimpanse so viel Obst essen, dass der Magen übervoll wäre.“ Ob die Tiere gezielt besonders reife, zuckerreiche und damit alkoholhaltigere Früchte bevorzugen, bleibt offen. Klar ist jedoch: Alkohol ist ein regelmäßiger Bestandteil ihrer natürlichen Ernährung.
Die Forschenden betonen, dass der Alkohol in tropischen Früchten kein Zufallsprodukt ist. Wenn Früchte reifen, wird ihr Zucker von Hefepilzen vergoren, die überall in der Natur vorkommen. Dabei entsteht automatisch Alkohol. Wer also reife Früchte zu sich nimmt – ob Schimpanse oder Mensch in frühen Entwicklungsstadien –, nimmt damit fast zwangsläufig auch geringe Mengen davon auf.
Alkoholkonsum älter als die Menschheit
Die Ergebnisse legen nahe, dass Alkohol über Millionen Jahre hinweg ein fester Bestandteil der Ernährung fruchtfressender Primaten war. Schon die gemeinsamen Vorfahren von Menschen und Schimpansen dürften regelmäßig vergorene Früchte verzehrt haben. „Die menschliche Vorliebe für Alkohol ist wahrscheinlich aus diesem Ernährungserbe unseres gemeinsamen Vorfahren mit den Schimpansen entstanden“, sagte Maro.
Die Ergebnisse stützen die sogenannte „Drunken-Monkey-Hypothese“. Sie wurde vor rund 20 Jahren von Co-Autor Robert Dudley, Professor für Integrative Biologie an der University of California, formuliert. Seine These: Die menschliche Vorliebe für Alkohol geht auf eine gemeinsame Vergangenheit mit fruchtfressenden Primaten zurück. Mit der neuen Arbeit liefert er nun zusammen mit Maro konkrete Messdaten, die diese Idee untermauern.
Ähnliche Beobachtungen gab es auch andernorts: In Guinea-Bissau filmten Forschende jüngst, wie Schimpansen vergorene Früchte des Afrikanischen Brotfruchtbaums teilten – in vielen Fällen mit messbarem Alkoholgehalt. Bereits vor rund zehn Jahren war zudem in Guinea beschrieben worden, dass Schimpansen vergorenen Palmsaft aus angezapften Bäumen schöpfen und teils mehrere Liter davon trinken, was bei einzelnen Tieren deutliche Rauschwirkungen zeigte.