Berlin: Partei ohne Raum? AfD und Vermieter streiten heftig vor Gericht

Die AfD soll aus ihrer Parteizentrale ausziehen – aber weigert sich. Ein gerichtlicher Vergleich kommt nicht zustande. Dafür erhebt der Kläger schwere Vorwürfe gegen die Partei.

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Unter einem Sternenhimmel geht es um das, was der Alternative für Deutschland immer so wichtig ist: die Heimat. Von der bemalten Decke im Berliner Landgericht im Stadtteil Moabit hängen große alte Lampen. Sie beleuchten einen bizarren Streit und wütende Gesichter. Die AfD droht ihre Heimat in Berlin zu verlieren, ihre Parteizentrale. 

Das Landgericht verhandelt über eine Räumungsklage gegen den AfD-Bundesverband. Kläger ist der Eigentümer und Vermieter des Bürogebäudes im Berliner Stadtteil Wittenau. Dort ist die Bundesgeschäftsstelle der Partei untergebracht. Dass die Partei raus muss, ist klar. Jetzt geht es um den Zeitpunkt.

Am Anfang des Streits steht der 23. Februar 2025. Der für die AfD wohl schönste Tag in ihrer Parteigeschichte ist rückwirkend auch ein Problem. Alice Weidel hatte als Spitzenkandidatin das bislang beste AfD-Ergebnis auf Bundesebene eingefahren. Die Partei gewann 20,8 Prozent der Stimmen und ist seither mit 150 Abgeordneten die größte Oppositionspartei im Bundestag.

Am Wahlabend feierte die Partei in ihrer Zentrale. Die Stimmung war etwas gedrückt, man hatte mit einem besseren Ergebnis gerechnet. Trotzdem gab es Bier, im Innenhof waren Zelte und ein Grill aufgebaut, das Parteilogo wurde an die Häuserwand projiziert. Und genau das ist für den Vermieter das Problem. Laut seinen Angaben ist AfD-Außenwerbung per Mietvertrag untersagt. Außerdem war der Zugang zum Gebäude durch Absperrungen nicht möglich. Es folgte die Kündigung.

Vermieter fühlt sich erpresst und bedroht

So richtig anfreunden konnten sich viele in der AfD mit ihrem Hauptsitz nicht. Das schmucklose Bürogebäude liegt vom Berliner Regierungsviertel besehen weit draußen. Der Sitz im Industriegebiet ist zudem wenig repräsentativ. Raus will die Partei vorerst trotzdem nicht. Auch, weil die Suche nach einem Nachfolgeobjekt schwer werden dürfte.

2022 hatten Vermieter und Partei einen Mietvertrag bis 2027 abgeschlossen. Der wurde für 2026 ordnungsgemäß durch den Vermieter gekündigt. Doch die Wahlparty war für den Vermieter der Punkt, an dem er die Partei vorzeitig aus seinem Gebäude raushaben wollte. Bis hierhin stimmen die Schilderungen beider Seiten überein, alles Weitere ist bitterer Streit.

Auf der einen Seite steht der österreichische Vermieter Lukas Hufnagel, dem das Bürogebäude gehört. „Mein Mandant hat kein Vertrauen mehr in seine Mieter“, lässt der Anwalt von Hufnagel wissen. Doch die Vorwürfe seines Mandanten gehen inzwischen weit über den Verlauf des Wahlabends hinaus: Man wolle ihn in den Ruin treiben, klagt Hufnagel. Mit der AfD als Mieter erhalte er weder einen neuen Kredit für das Gebäude noch sei ein Verkauf der Immobilie möglich. Hufnagel sagt, er sei durch die Partei erpresst worden. Man habe ihm angedroht, so der Österreicher, ihm eine „ganze Busladung strammer Burschen“ vorbeizuschicken. Vor Gericht erscheint Hufnagel mit zwei Personenschützern. Er erhalte Drohanrufe, behauptet er.

AfD kontert mit Papst-Vergleich

Die AfD streitet alles ab – nicht nur die unsachgemäße Nutzung des Bürogebäudes. „Wir haben alles in unserer Macht stehende getan. Wir blicken juristisch sehr gelassen auf den Prozess“, so der stellvertretende Bundessprecher und Bundestagsabgeordnete Kay Gottschalk, der die Partei vor Gericht als Beklagten vertritt. Nach eigenen Angaben habe man Hufnagel eine Einmalzahlung als Entschädigung für die Wahlparty angeboten. Der lehnte das ab. Auch eine Erpressung habe nie stattgefunden. „Das ist so, als wenn Sie dem Papst Erpressung unterstellen“, kommentiert Gottschalk. Er weise jede Anschuldigung gegen Mitglieder der Partei aufs Schärfste zurück. Hufnagl versuche seit Monaten, mit Medienkampagnen und juristischen Manövern einen offenbar gescheiterten Millionen-Immobiliendeal zu retten, auf Kosten der Alternative für Deutschland.

Vor Gericht streiten beide Seiten um die Wahrheit – nicht nur juristisch. Der Vermieter ist sichtlich genervt, ruft in seinem österreichischen Akzent einmal halblaut „Es ist mir Wurscht!“, als es darum geht, ob eine eventuelle Mieterhöhung die Situation lösen könnte. Mehrfach muss der Richter dazwischengehen und Kläger und Beklagten zur Ruhe mahnen.

Vergleich scheitert

Hufnagel wirft dem stellvertretenden Parteivorstand Kay Gottschalk vor, parteiintern als „Lügen-Kay“ bekannt zu sein. Hufnagel sei außerdem nicht Gottschalks „persönliche Prostituierte“. Die AfD, im Bundestag sonst laut und krawallig unterwegs, hält sich zurück. Gottschalk verzichtet seinerseits im Prozess auf Anschuldigungen. Ein Vergleich scheitert aber. Die AfD bietet dem Vermieter eine leichte Mieterhöhung um wenige Prozent an. Hufnagel lehnt das ab. Die AfD bietet dem Vermieter an, ein paar Wochen früher auszuziehen. Hufnagel lehnt auch das ab.

Nach dem gescheiterten Vergleich wird es ruhiger. Der Richter eröffnet die eigentliche Verhandlung. Der Richter spricht über die Rechtmäßigkeit von angestrahlten Fassaden und die vertragsgemäße Nutzung von Bürogebäuden. Das Parteilogo auf der Wand am Wahlabend verstoße gegen den Mietvertrag, so der Richter. Aber reicht dieser Verstoß auch zur fristlosen Kündigung? Dass der Zugang zum Gebäude durch Demonstrationen und Polizeiabsperrungen blockiert gewesen sei, könne man der AfD nicht anlasten. Ein Urteil fällt an diesem Tag im Berliner Landgericht nicht. Der AfD bleibt also zumindest vorerst das, was ihr so wichtig ist: ihre – in diesem Fall ungeliebte – Heimat.

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