Justiz: Verfassungsgericht kippt Altersgrenze für Anwaltsnotare

Mit 70 war für Notare und Notarinnen bislang Schluss. Einer, der weiterarbeiten wollte, zog bis vors höchste deutsche Gericht. Das hat nun sein Urteil gesprochen. Die Tücken stecken im Detail.

Die gesetzliche Altersgrenze von 70 Jahren für Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare ist laut dem Bundesverfassungsgericht unvereinbar mit dem Grundgesetz. Das Karlsruher Urteil gilt also nur für jene Notare, die auch als Rechtsanwälte arbeiten. Diese Konstellation gibt es bloß in einigen Bundesländern. Mit der Altersgrenze hatte der Gesetzgeber Berufschancen zwischen den Generationen gerecht verteilen wollen.

Kein Bewerberüberhang bei Anwaltsnotaren

Anders als bei sogenannten Nur-Notaren gebe es beim Anwaltsnotariat in den meisten Regionen aber seit Jahren erheblich weniger Bewerbungen als ausgeschriebene Stellen, erläuterte Gerichtspräsident Stephan Harbarth. Daher greife die Altersgrenze unverhältnismäßig in die im Grundgesetz verankerte Berufsfreiheit der Anwaltsnotarinnen und -notare ein.

Die betroffenen Regelungen sind dem Urteil zufolge bis Ende Juni 2026 auch im Bereich des Anwaltsnotariats weiter anwendbar. Bis dahin ausgeschiedene Anwaltsnotare könnten sich dann nach Maßgabe der hierfür geltenden Vorschriften wieder neu bewerben. (Az. 1 BvR 1796/23)

Erfolg für Kläger aus NRW

Der 71 Jahre alte Beschwerdeführer Dietrich Hülsemann aus Nordrhein-Westfalen hatte damit mit seiner Verfassungsbeschwerde Erfolg. Er sah sich durch seinen zwangsweisen Ruhestand in der Berufsfreiheit verletzt. Laut der Bundesnotarordnung erlischt das Notarsamt mit dem Ende des Monats, in dem der oder die Betroffene das 70. Lebensjahr vollendet.

Anwaltsnotar Hülsemann hatte im November 2023 die Altersgrenze erreicht. Seine Klagen am Oberlandesgericht Köln und Bundesgerichtshof blieben ebenso erfolglos wie ein Eilantrag am Verfassungsgericht. Der Erste Senat in Karlsruhe erklärte, dass für die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes besonders strenge Voraussetzungen gelten, die hier nicht erfüllt seien. Nun entschied das höchste deutsche Gericht im Hauptsacheverfahren.

Antidiskriminierungsbeauftragte: Altersgrenzen auf den Prüfstand

Der Senat kam unter anderem zu dem Schluss, auch „die Gegebenheiten des kognitiven Alterungsprozesses“ sprächen nicht für eine Altersgrenze. Er sei stark individuell geprägt und lasse keine verallgemeinerungsfähigen Zusammenhänge zwischen Lebensalter und beruflicher Leistungsfähigkeit im Bereich des Notariats erkennen, sagte Harbarth. Ausgenommen sind dem Urteil zufolge Tätigkeiten wie der Beruf des Verkehrspiloten, die in besonderem Maße auf eine hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit angewiesen sind.

Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, wertete die Entscheidung als wichtiges Signal gegen Altersdiskriminierung: „Pauschale Altersgrenzen im Arbeitsleben müssen nun generell auf den Prüfstand. Es kommt darauf an, was Menschen drauf haben – und nicht, wie alt sie sind.“

Hülsemanns Vertreter vor dem Gericht, Prof. Gregor Thüsing, betonte ebenso, an den Entscheidungsgründen müssten sich auch andere gesetzliche Altersgrenzen messen lassen. Das Bundesverfassungsgericht habe klar gesagt: Stereotype, dass ein Älterer automatisch weniger leistungsfähig sei, überzeugten nicht. „Jemand, der älter ist und arbeiten kann, soll auch arbeiten können, wenn er gebraucht wird.“ Er wolle Hülsemann empfehlen, sich noch einmal zu bewerben. Der Notar a.D. selbst äußerte sich zunächst nicht.