Fotografie: Ein ewiges Auf und Ab: Die schönsten Rolltreppen der Welt

Vor 100 Jahren setzte sich in Köln Deutschlands erste Rolltreppe in Bewegung. Zur Feier zeigen wir die schönsten Anlagen weltweit – und die damalige Sensation im Rheinland.

Meine erste Erinnerung an eine Rolltreppe: Karstadt, Münster/Westfalen, Mitte der 1970er-Jahre. Die sichernde Hand meiner Mutter. Offenbar war das, was vor mir lag, gefährlich. So viele Warnschilder! Achtung! Keine Kinderwagen! Keine Fahrräder! Hunde verboten! Gummistiefel verboten! Ich war klein, die Rolltreppe riesengroß. Natürlich durfte ich sie nicht einfach so betreten. Dafür gab es Regeln und Phasen.

Phase 1: an die Hand. Phase 2: Konzentration. Phase 3: großer Schritt nach vorn, nicht stolpern. Phase 4: festhalten. Phase 5: genießen. Phase 6: vorbereiten zum Verlassen. Phase 7: erneuter Schritt nach vorn, nicht stolpern.

Geschafft. Erste Etage. Damenmode.

Eine Fahrt nach oben als Abenteuer, so muss es sich auch damals in Köln angefühlt haben: Vor 100 Jahren, am 30. Oktober 1925, setzte sich die erste Rolltreppe in Deutschland in Bewegung, ebenfalls in einem Kaufhaus. Die Unternehmerfamilie Tietz hatte sie in ihrem Kölner Warenhaus installiert. Erstmals fuhren aufgeregte Kunden wie durch Zauberkräfte in höhere Sphären.

Es hatte ein Vierteljahrhundert gedauert, bis auch die Deutschen in den Genuss jener amerikanischen Erfindung kamen, die schon bei der Weltausstellung 1900 in Paris einen Preis bekommen hatte. Bei dieser Konstruktion lässt ein von einem Motor angetriebenes, umlaufendes Band endlos Stufen auf- und absteigen.

Erste Ideen für die Rolltreppe waren Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden, als ein Amerikaner ein Patent auf eine Maschine mit „umlaufenden Stufen“ angemeldet hatte. Verwirklicht wurde seine Erfindung nie, erst 1892 tat der amerikanische Eisenbahn-Ingenieur Jesse Wilford Reno den nächsten Schritt: Er ließ eine motorbetriebene, umlaufende Rampe zum Transport von Gütern patentieren, allerdings noch ohne aus- und einfahrende Treppenstufen.

Das geneigte Laufband ließ sich auf Coney Island – schon zu jener Zeit ein beliebtes Freizeitziel der New Yorker – ausgezeichnet zum Transport von Menschenmassen nutzen: Bis zu 4000 Personen beförderte es damals pro Stunde, wie die Kulturwissenschaftlerin Andrea Mihm 2005 in ihrer Dissertation über die Rolltreppe schrieb. Untertitel der Arbeit: „Kulturwissenschaftliche Studie zu einem mechanisch erschlossenen Zwischenraum“.

Laut Mihm verkaufte Ingenieur Reno seine Laufbänder bereits im Jahr 1900 massenhaft an die New Yorker Hochbahn. Zur selben Zeit stellte die New Yorker Aufzugsfirma Otis die erste Rolltreppe mit beweglichen Stufen vor, basierend auf früheren Überlegungen eines Erfinders namens George A. Wheeler.

Wheeler selbst hatte sein Patent 1898 an einen anderen Erfinder verkauft, an Charles D. Seeberger. Und dieser besaß, anders als Wheeler, offenbar einen glänzenden Sinn für Marketing. Er kooperierte mit Otis, und die Firma stellte den Prototyp auf der Weltausstellung vor. Der Erfolg nahm seinen Lauf. Bis heute sind Rolltreppen auf der ganzen Welt ein unverzichtbares Massentransportmittel, das bei guter Wartung jeden Menschen nach oben oder unten bringt, unabhängig von Alter, Geschlecht, Einkommen und Gesinnung.

Allein in Deutschland dürften heute etwa 39.000 Rolltreppen ihren Dienst verrichten. Das längste Exemplar Westeuropas ist 82 Meter lang und führt zur Aussichtsplattform der Hamburger Elbphilharmonie. Es erfüllt nicht nur den Transportzweck, sondern ist Teil der Architektur, wie so viele Anlagen in dieser Fotostrecke.

Fast rührend, dass noch in den 1990er-Jahren eine deutsche Rolltreppe für Fortschritt stand. Vom damaligen Schalker Fußballspieler Youri Mulder ist die Anekdote überliefert, dass er von seinen niederländischen Landsleuten bewundert wurde, als er in Gelsenkirchen unterschrieb: „Boah, du gehst zu einem Verein mit einer Rolltreppe!“ Gemeint war die im damaligen Parkstadion. Mulder erinnerte sich noch Jahre später an sein Erlebnis im Sommer 1993: „Das war sensationell. Du hast oben gestanden und noch nichts gesehen. Dann sind das Stadioninnere und der Rasen langsam nähergekommen – wie in einem Film.“

Leider ging es mit Schalke 04 später insgesamt abwärts: Der Weg führte nach unten, langsam, aber stetig. Das Schöne an Rolltreppen aber ist: Wo es abwärts geht, geht es meist auch wieder hoch. Mit einem großen Schritt.