Gut drei Wochen nach der Ernennung eines neuen Premierministers in Frankreich ist der Haushaltsentwurf so gut wie fertig. Er werde wahrscheinlich am Donnerstag dem Rechnungshof vorgelegt, hieß es am Mittwoch in Kreisen des Wirtschaftsministeriums. „Es hätte heute sein sollen, aber es kommt bestimmt morgen“, erklärte der Vorsitzende des Rechnungshofs, Pierre Moscovici.
Unterdessen wird damit gerechnet, dass Premierminister Sébastien Lecornu am Wochenende ein neues Kabinett vorstellt, ohne dabei die führenden Köpfe der bisherigen Regierungsmannschaft auszuwechseln. Allerdings muss er das Verteidigungsministerium neu besetzen, das er bislang selber geführt hatte. Nach übereinstimmenden Informationen will Lecornu Anfang kommender Woche eine Regierungserklärung abgeben.
In einem Schreiben an die Gewerkschaften zeigte Lecornu sich am Mittwoch zu kleineren Zugeständnissen bereit, etwa bei der Aufbesserung der Mütterrenten. Die Gewerkschaften bezeichneten dies umgehend als unzureichend und bekräftigten ihre Forderung, die Rentenreform komplett aufzuheben.
Am Mittwochnachmittag sollte zudem die Wahl für das Präsidium der Nationalversammlung beginnen. Dabei zeichnete sich ab, dass die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) mehr Posten besetzen könnte als je zuvor. Die Vorsitzende Yaël Braun-Pivet hatte sich für eine Postenverteilung nach Stimmenanteil ausgesprochen, was dem RN zugute käme.
Das linksgrüne Lager protestiert dagegen. Grünen-Chefin Marine Tondelier rief dazu auf, den „Verrat an der republikanischen Front“ zu verhindern. Damit spielte sie auf die Übereinkunft des Regierungslagers mit der linksgrünen Opposition bei der jüngsten Parlamentswahl an, den Aufstieg der Rechtspopulisten zu bremsen.
Die neue Regierung ist noch nicht ernannt, aber mehrere Oppositionsparteien planen bereits deren Sturz. Die Linkspopulisten wollen umgehend einen Misstrauensantrag einreichen, der RN will die Regierungserklärung und mögliche Zugeständnisse abwarten – droht aber auch damit, sich an einem Regierungssturz zu beteiligen und fordert für diesen Fall Neuwahlen.
Lecornu steht unter Druck, seinen Haushaltsentwurf bis Mitte Oktober in der Nationalversammlung einzubringen. Am Freitag will er erneut mit den Sozialisten verhandeln, denen eine Schlüsselrolle zukommt. Nur, wenn diese darauf verzichten, einen Misstrauensantrag zu unterstützen, kann der Haushalt vor Ende des Jahres verabschiedet werden.
Lecornus Vorgänger François Bayrou hatte mit geplanten Einsparungen in Höhe von 44 Milliarden Euro heftige Proteste ausgelöst. Für Donnerstag ist ein dritter landesweiter Protest- und Streiktag geplant.
Angesichts der dramatischen Staatsverschuldung in Höhe von etwa 115 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und einem einem Defizit von 5,8 Prozent muss Frankreich im kommenden Jahr mit drastischen Einschnitten bei den öffentlichen Ausgaben rechnen. Die Rating-Agentur Fitch hatte kürzlich erst Frankreichs Bonität heruntergestuft.