Aminata Belli: Die Moderatorin engagiert sich gegen Mobbing

Aminata Belli kämpft mit Aktion Mensch gegen Mobbing und spricht über das Schweigen der Betroffenen sowie ihre eigenen Erfahrungen.

Knapp die Hälfte der Jugendlichen in Deutschland ist von Mobbing betroffen – doch rund 80 Prozent der Betroffenen schweigen aus Angst, Scham oder Hoffnungslosigkeit. Das zeigt eine aktuelle repräsentative Befragung, die die Aktion Mensch anlässlich ihrer neuen Kampagne #SagtNichtNichts gegen Mobbing und Ausgrenzung durchgeführt hat.

Unterstützt wird die Kampagne von Moderatorin Aminata Belli (33), die bereits im Frühjahr gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen der jungen NDR-Talkshow „deep und deutlich“ Schulen in Norddeutschland besuchte, um mit Schülerinnen und Schülern über Mobbing, Leistungsdruck und mentale Gesundheit ins Gespräch zu kommen. „Ich wünsche mir, dass Mobbing enttabuisiert wird“, erklärt Belli im Interview über ihr Engagement und spricht auch über ihre eigenen Erfahrungen. Die Moderatorin hatte sich Anfang des Jahres unter anderem wegen zahlreicher Hassnachrichten eine Auszeit von den sozialen Medien genommen.

Liebe Aminata, Sie machen sich aktuell gemeinsam mit der Aktion Mensch gegen Mobbing stark. Warum liegt Ihnen das Thema Mobbing so am Herzen?

Aminata Belli: Mobbing ist ein großes und wichtiges Thema und es ist mir sehr wichtig, dass wir mehr darüber sprechen, was Mobbing anstellen kann. Ich selbst habe auch schon Ausgrenzung erfahren, und mich berührt das Thema so sehr, da ich durch meine Arbeit mit vielen verschiedenen Menschen geredet habe, die ihre Erfahrungen mit mir geteilt haben. Mobbing kann ganze Lebensabschnitte entscheiden: Schule, Arbeit, online wie offline. Jeder Betroffene verdient Respekt und Unterstützung. Denn wenn diese fehlt, kann es sehr, sehr schlimm enden. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die mehr aufeinander achtet. Die hinsieht, zuhört und eingreift.

Laut der Umfrage sind fast die Hälfte der Jugendlichen von Mobbing betroffen, doch die Mehrheit schweigt. Wie schätzen Sie das Ergebnis aus Ihrer Erfahrung ein und welche Botschaft möchten Sie den Jugendlichen mit auf den Weg geben?

Belli: Durch Gespräche mit Betroffenen weiß ich, dass viele schweigen, aus Angst nicht ernst genommen zu werden oder aus bereits gemachten schlechten Erfahrungen. Manche nehmen das Mobbing und die Worte der anderen so sehr an, dass sie selbst glauben, sie seien schuld und hätten es verdient, so behandelt zu werden. Mir ist wichtig zu sagen: Niemand verdient es, gemobbt zu werden. Sprecht es an, holt euch Hilfe, zeigt Zivilcourage. Nicht nur in der Schule, auch im Erwachsenenleben. Außerdem glaube ich, dass Mobbing unter Erwachsenen wie zum Beispiel am Arbeitsplatz kaum Sichtbarkeit findet. Niemand muss da alleine durch!

Welche Verantwortung tragen Medien und soziale Plattformen Ihrer Meinung nach, damit Mobbing und Hate Speech nicht zur Normalität werden?

Belli: Hate Speech und Mobbing wurden und werden auch weiterhin durch die sozialen Medien immer einfacher, immer mehr und auch immer unkontrollierter. Wir als Nutzerinnen und Nutzer können da allein nicht gegen angehen. Medien haben einen großen Einfluss darauf, welche Normen gelten. Sie sollten Hassrede sichtbar entkräften und Mobbing nicht normalisieren. Es sollte neben den oft genannten Richtlinien vor allem auch sichtbare Konsequenzen geben.

Welche Rolle spielen Schulen und Eltern im Kampf gegen Mobbing aus Ihrer Sicht?

Belli: Mobbing wird ja schon oft in der Schule thematisiert, aber ich denke, dass vor allem Gespräche unter Schülerinnen und Schülern helfen, einander zu verstehen. Mit „deep und deutlich“ machen wir beispielsweise eine Schultour, auf der wir sehr viel mit Betroffenen reden und wir im Nachgang hören, dass dieses Zusammenkommen und auf Augenhöhe miteinander sprechen, für mehr Verständnis sorgt. Plakate, die in der Aula aushängen, sind zwar richtig und wichtig, aber ich glaube, sich mehr Zeit nehmen und wirklich miteinander reden, zuhören und neue Systeme schaffen, ist ein wichtiger Schritt.

Was wünschen Sie sich, dass die Kampagne der Aktion Mensch bei Betroffenen und auch bei Außenstehenden bewirkt?

Belli: Ich wünsche mir, dass Mobbing enttabuisiert wird. Dass Menschen verstehen, wie viele unserer Mitmenschen unter Mobbing leiden und wie viele Lebenswege davon negativ beeinflusst werden. Dass Betroffene gestärkt werden und vor allem auch, dass diejenigen, von denen das Mobbing ausgeht, ihr Verhalten nachhaltig überdenken.

Sie sprechen auf Instagram regelmäßig über Diskriminierung und Rassismus. Was treibt Sie an, immer wieder unbequeme Wahrheiten anzusprechen?

Belli: Was mich antreibt, ist vor allem der Austausch mit anderen Menschen. Unbequeme Wahrheiten anzusprechen, macht nicht immer Spaß und führt auch oft zu unbequemen Zuständen, aber es geht um Gerechtigkeit, Verständnis, Veränderung und Solidarität. Und das ist wichtiger als Bequemlichkeit.

Wie finden Sie für sich eine Balance zwischen Engagement und Selbstschutz?

Belli: Das ist gar nicht so einfach als betroffene Person. Es gibt Tage, an denen denke ich, ich lege mein Handy zur Seite und gehe in die Natur, damit ich keinen rassistischen oder sexistischen Blödsinn lesen muss und dann erlebe ich ihn im echten Leben offline. Selbstschutz bedeutet für mich, resilient zu sein und Resilienz baue ich auf Basis verschiedener Pfeiler auf, die ich mir im Laufe der Zeit angeeignet habe. Dazu gehören: Community, Sport und Zeit für mich.

Wie gehen Sie mit den Reaktionen, auch negativen, in den Kommentarspalten um?

Belli: Unterschiedlich. Kommt darauf an, wie es gerade mit der Resilienz aussieht. An manchen Tagen macht es mir nichts, an anderen Tagen macht es mich tieftraurig und raubt mir jede Hoffnung. Wenn ich sehe, wie manche übereinander denken und reden. Wie reaktionär beleidigt und angegriffen, verdreht und gehetzt wird. Wenn ich auf die Profile mancher Menschen gehe, die die verstörendsten Kommentare ablassen, dann aber wie die nette Nachbarin von nebenan aussehen, wird mir angst und bange. Denn das ist ja tatsächlich die nette Nachbarin von irgendjemanden. Und kein Bot.

Anfang des Jahres haben Sie sich wegen Hate selbst aus den sozialen Medien zurückgezogen. Wie wichtig war diese Auszeit?

Belli: Diese Pause war sehr wichtig für mich, da ich sehr leer war. Zu dem Zeitpunkt hatte ich für fast vier Monate durchgehend keinen freien Tag, auch nicht am Wochenende. Mein geplanter Urlaub fiel aus, da ich meiner Familie spontan wegen Krankheit auf dem Weihnachtsmarkt half. Ich war einfach total erschöpft. Körperlich, sowie mental. Die Hasskommentare waren die Kirsche auf der Torte.

Bei „deep und deutlich“ haben Sie immer wieder prominente Gäste mit bewegenden Geschichten, zuletzt beispielsweise Sara Kulka. Gibt es jemanden, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Belli: Wir machen die Sendung nun schon seit fünf Jahren und ich muss sagen, dass ich fast immer noch in jeder Sendung Gäste habe, die mir besonders in Erinnerung bleiben. Jede Geschichte ist so persönlich und individuell. Allerdings muss ich sagen, dass mein allererstes Interview in der allerersten Sendung mit Johannes und Phillipp Mickenbecker für immer ein ganz Besonderes sein wird. Das gibt es noch auf YouTube zu sehen und ich denke, dass es jeder Person, die es ansieht, für immer in Erinnerung bleiben wird.