Musikexperte Rob Sheffield spricht im Interview über das Erfolgsgeheimnis von Taylor Swift und verrät, warum die Fans Travis Kelce lieben.
US-Musikjournalist Rob Sheffield (59) beschäftigt sich in seinem Buch „Heartbreak is the National Anthem – Wie Taylor Swift die Popmusik neu erfand“ (aus dem Englischen übersetzt von Felix Grünspan und Ska Radczinski, 224 Seiten, Penguin Verlag, 18,00 Euro) mit dem größten Popstar unserer Zeit. Er nimmt die Leser mit auf eine Reise durch Swifts musikalische Entwicklung und ihre berühmten „Eras“. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erklärt der Musikexperte, was die Sängerin und ihr Songwriting so besonders macht und warum sie einer ganzen Generation von Künstlerinnen die Türen geöffnet hat.
Zudem gibt er einen Ausblick auf Swifts zwölftes Studioalbum „The Life of a Showgirl“, das am kommenden Freitag erscheint, und erklärt, warum Football-Star Travis Kelce (35) der richtige Mann an ihrer Seite ist.
Was hat Sie dazu inspiriert, ein ganzes Buch über Taylor Swift und ihren Einfluss auf die Popmusik zu schreiben?
Rob Sheffield: Ich bin Musikjournalist und war schon immer fasziniert von großen Innovatoren, die die Zukunft der Popmusik verändern. Meine beiden vorherigen Bücher handelten von den Beatles und David Bowie. Für mich steht Taylor Swift auf derselben Stufe wie diese All-Time-Legenden. Das sind Künstlerinnen und Künstler, die an der Spitze bleiben, weil sie sich nie aufhören zu verändern, nie aufhören zu experimentieren, nie aufhören, ihr Publikum herauszufordern. Genau deshalb sind die Beatles und Bowie über Jahrzehnte hinweg so beliebt und einflussreich geblieben – und genau deshalb wird das bei Taylor auch so sein.
Gab es etwas Überraschendes, das Sie über Taylor Swift erfahren haben, als Sie das Buch recherchierten und schrieben?
Sheffield: Für mich war es sehr überraschend, in Taylors Anfänge einzutauchen. Sie ist eine Songwriterin, die sehr jung angefangen hat – einfach ein ehrgeiziges Kind. Aber schon auf ihrem Debüt war klar, dass sie die Geschichte im Blick hatte. Sie war ein Country-Wunderkind, hatte aber offensichtlich die großen Songwriterinnen der Vergangenheit studiert und alle ihre Tricks gelernt: die Beatles und Motown, Carole King und Prince, Bruce Springsteen und Joni Mitchell. Sie wollte all ihre Songwriting-Techniken beherrschen – sie begnügte sich nicht damit, mit anderen Künstlerinnen ihres Alters oder ihrer Zeit zu konkurrieren. Sie wollte eine der Größten aller Zeiten sein, schon als Kind, und sie überließ das nicht dem Zufall.
Sie beschreiben Taylor Swift als jemanden, der „die Popmusik neu erfunden hat“. Was unterscheidet sie Ihrer Meinung nach von anderen Künstlerinnen ihrer Generation – was ist das Geheimnis ihres Erfolgs?
Sheffield: Taylor Swift kann Popsongs schreiben, die winzig und intim wirken – als würde man eine Fremde in einer Bar hören, die einen am Ärmel packt und einem alles ausschüttet, was sie gerade fühlt, all die chaotischen und widersprüchlichen Emotionen -, aber sie schafft es, dass diese persönlichen Songs universell klingen. Millionen von Menschen auf der ganzen Welt erkennen ihr eigenes Leben in Swift-Songs über ganz gewöhnliche Details und scheinbar banale Szenen wieder. Sie achtet auf die kleinen Dinge – wie einen Schal, der im Haus der Schwester des Ex-Freundes liegen geblieben ist – und bläst sie zu einer epischen Geschichte des Herzschmerzes auf. Damit hat sie etwas mit Größen wie Bruce Springsteen gemeinsam: das Talent, dass Menschen sich in diesen Geschichten wiederfinden, weil sie die kleinsten Details so treffend einfängt.
Inwiefern hat Swift Ihrer Meinung nach neu definiert, was es bedeutet, im 21. Jahrhundert eine Künstlerin zu sein?
Sheffield: Taylor war ein Teenager-Mädchen, das berühmt wurde, indem sie ihre eigenen Songs schrieb – alle -, über ihr eigenes Leben sang und ihre eigenen Geschichten erzählte. Es ist fast lustig, sich daran zu erinnern, dass das damals nicht üblich war. Sie musste kämpfen, um zu beweisen, dass sie überhaupt wusste, wie man Songs schreibt. Aber in den 2020ern ist genau das Popmusik. Die ganze heutige Generation von Stars – Chappell Roan, Billie Eilish, Olivia Rodrigo, Gracie Abrams, Addison Rae, Sabrina Carpenter – sie alle gehen durch die Tür, die Taylor geöffnet hat. Sie singen nicht die Songs, die ihre Managerinnen oder Produzentinnen für sie geschrieben haben – sie sind Songwriterinnen, die über ihr Leben singen. Wir leben heute in einer Welt voller Taylor Swifts.
Was lernen Swifts Fans – vor allem Millennials und Gen Z – von ihr über Identität und Emotionen?
Sheffield: Ich glaube, wenn Fans von Taylor etwas gelernt haben, dann, sich selbst zu vertrauen – und einander zu vertrauen. Als ich in den Achtzigern aufwuchs, gab es keine Taylor Swifts. Die populärsten Sängerinnen sangen Songs, die ihre männlichen Produzenten oder Manager für sie geschrieben oder ausgesucht hatten. So lief das damals. Taylor hat wirklich bestätigt, dass Teenager-Popstars ihre eigenen Songs schreiben und direkt mit Gleichaltrigen kommunizieren können, ohne die Mittelsmänner der Industrie. Und sie hat ein Modell geliefert, wie man mit diesem ausgeprägten Sinn für Unabhängigkeit erwachsen werden kann.
Taylors neues Album „The Life of a Showgirl“ erscheint am 3. Oktober. Was sind Ihre ersten Eindrücke basierend auf dem, was wir bisher wissen?
Sheffield: Alles, was wir bisher wissen, ist: Es ist ein Album mit Max Martin und Shellback, den poppigsten und tanzbarsten Produzenten, mit denen sie je gearbeitet hat. Ihre Musik mit ihnen in der Vergangenheit war dance-orientierter Electro-Pop, der trotzdem gefühlvoll und persönlich klingt. Genau das scheint sie bisher mit „The Life of a Showgirl“ zu versprechen. Einige meiner liebsten Swift-Songs stammen aus dieser Zusammenarbeit, etwa „New Romantics“, „Delicate“, „We Are Never Ever Getting Back Together“ und „Blank Space“. Die Möglichkeiten sind also grenzenlos.
Wie wird dieses Album Ihrer Meinung nach in Swifts Gesamtwerk und ihre Entwicklung als Geschichtenerzählerin passen?
Sheffield: Es gibt nur eine Sache, die wir über dieses Album sicher wissen: Sie wird sich nicht wiederholen. Das tut sie nie – auch wenn wir es uns wünschen. Ich denke, sie wird emotionales Terrain betreten, über das sie bisher noch nicht gesungen hat – in Bezug auf das Erwachsenenleben und erwachsene Gefühle -, ohne den Kontakt zu dem zu verlieren, was sie bisher gemacht hat.
Das kommende Album enthält ein Duett mit Sabrina Carpenter. Was halten Sie von dieser Kombination?
Sheffield: Ich kann es kaum erwarten, ihr Duett mit Sabrina zu hören. Diese beiden Künstlerinnen haben so viel gemeinsam – Teenager-Mädchen, die Stars wurden und dann öffentlich erwachsen werden mussten, sowohl als Künstlerinnen als auch als Menschen. Beide wissen, wie es ist, plötzlich berühmt zu werden und dann Ablehnung zu erfahren. Beide wissen, wie es ist, gleichermaßen gehasst und geliebt zu werden. Beide sind Kontroversen gewohnt. Sie kennen „The Life of a Showgirl“ also von innen heraus. Außerdem gehören sie zu den lustigsten Songwriterinnen, die wir derzeit haben – ich hoffe, dieses Duett zeigt ihren Humor ebenso wie ihr Gespür für Melodramatik.
Travis Kelce ist mehr als nur Taylor Swifts Verlobter, er ist jetzt Teil ihrer kulturellen Erzählung. Wie interpretieren Sie seine Rolle in der aktuellen Swift-Ära?
Sheffield: Ein Hoch auf das glückliche Paar. Viele Fans haben ihm immer die Daumen gedrückt, weil er so offen begeistert war, ihr Freund zu sein – er hat sie öffentlich um ein Date gebeten, und wie sie sagte, fand sie das „verdammt cool“. Das ist neu für sie. Er hat seinen eigenen Ruhm und Reichtum, also hat er keinen Grund, sich von ihrem bedroht zu fühlen. Irgendwie ist es überraschend, die ultimative „Tortured Poet“ mit einem berühmten Sportler zu sehen – das hat etwas von „Gegensätze ziehen sich an“. Wie er einmal sagte: „Ich war nie ein Mann großer Worte.“ Aber es ist schön, die beiden so entspannt miteinander zu sehen. Mir gefällt, wie er sie ohne Scham verehrt.
Wie könnte diese sehr öffentliche Beziehung die Themen ihres Songwritings beeinflussen?
Sheffield: Manche könnten sich sorgen, sie könne kreativ darunter leiden, wenn sie keine Trennungen mehr zu besingen hat. Aber ich mache mir da überhaupt keine Sorgen. Sie kann weiter Songs über Herzschmerz, Verrat und Verzweiflung schreiben – weil sie darin so großartig ist. Sie hat immer schon fiktive Figuren in ihren Songs erschaffen, wie es alle Großen tun – ob Paul McCartney oder Prince oder Biggie oder Axl. Sie wird sich also nie darauf beschränken, nur über ihr eigenes Leben zu singen. Auf ihrem letzten Album hatte sie Songs wie „The Prophecy“ oder „I Can Fix Him“, die nicht autobiografisch waren und trotzdem extrem authentisch wirkten. Meine Lieblingsalben von ihr sind „Folklore“ und „Evermore“, die voller erfundener Geschichten sind – deshalb habe ich volles Vertrauen, dass eine glückliche Ehe sie nicht daran hindert, traurige Songs zu schreiben.
Swifties sind berüchtigt dafür, beschützend und analytisch zu sein. Wie hat das Fandom auf Travis Kelce im Vergleich zu früheren Partnern reagiert?
Sheffield: Die Fans lieben diesen Mann, und das ist vollkommen logisch. Er steht ihrer Individualität nicht im Weg. Seien wir ehrlich: Taylor wird immer Taylor bleiben. Niemand wird sie je ändern, schon gar nicht ein Mann. Taylor wird immer jemand sein, der seine Meinung sagt, seinem Herzen folgt, extreme Wege geht. Sie wird sich auf die chaotischsten öffentlichen Kämpfe einlassen, wie in ihrem Krieg mit Scooter Braun. Sie wird immer zu ihren Werten stehen, wie in ihrem Kampf mit Donald Trump. Die Taylor in ihrem Leben ist dieselbe Taylor wie in ihren Songs – sie ist ein emotionaler Vulkan, und man kann nie vorhersagen, wann, wie oder warum sie ausbricht. Aber sie macht es immer faszinierend. Dieser Freund weiß, dass er das nie ändern wird – und allem Anschein nach hat er null Interesse, sie überhaupt zu verändern. Das ist Taylor Swift. Er weiß das. Wir wissen das. Das ist etwas, das es zu feiern gilt. Die Welt wäre ein so langweiliger und trostloser Ort ohne sie.