Vergewaltigungsopfer Gisèle Pelicot greift Angeklagten in Berufungsprozess an

Im Berufungsprozess wegen Vergewaltigung der mit Medikamenten betäubten Gisèle Pelicot hat diese den Angeklagten scharf angegriffen. „Zu welchem Zeitpunkt habe ich Ihnen meine Zustimmung gegeben? Niemals!“, hielt sie am Mittwoch dem 44 Jahre alten Husamettin D. entgegen, der den Vorwurf der Vergewaltigung zuvor zurückgewiesen hatte. „Stehen Sie zu Ihren Taten und hören Sie auf, sich hinter Ihrer Feigheit zu verstecken“, forderte die 72-Jährige.

Zuvor waren im Gerichtssaal 14 Videos gezeigt worden, auf denen zu sehen war, wie der Angeklagte Gisèle Pelicot mehrfach sexuell missbraucht, während diese komplett reglos ist und zeitweise laut hörbar schnarcht. Der Vorsitzende Richter hatte das Publikum zuvor gewarnt und sensible und jungen Menschen gebeten, den Saal zu verlassen. 

„Die Frau ist niemals aufgewacht. Reagieren Frauen so? Sieht es so aus, wenn eine Frau Lust empfindet“, fragte der Richter den Angeklagten. Dieser räumte ein, dass er sich am Ende geschämt habe, blieb aber bei seiner Aussage, dass er Gisèle Pelicot nicht habe vergewaltigen wollen und er von ihrem Mann Dominique Pelicot manipuliert worden sei. 

Dominique Pelicot, der im Dezember zur Höchststrafe von 20 Jahren Haft verurteilt worden war, hatte am Dienstag als Zeuge ausgesagt. Er habe dem Angeklagten und den 49 übrigen bereits verurteilten Männern in einem Internetforum das eindeutige Angebot unterbreitet: „Ich suche jemanden, der meine schlafende Frau ohne ihr Wissen vergewaltigt.“

Der im Dezember zu neun Jahren Haft verurteilte Husamettin D. hatte als einziger der Verurteilten auf einem Berufungsverfahren bestanden. Ihm drohen nun erneut bis zu 20 Jahre Gefängnis. 

Das Berufungsverfahren in Nîmes soll bis Donnerstag dauern. Wegen ihres Muts während des ersten Prozesses im vergangenen Jahr war Gisèle Pelicot zu einer Galionsfigur im Kampf für die Frauenrechte geworden. Sie hatte sich für ein öffentliches Verfahren eingesetzt, „damit die Scham die Seite wechselt“.