Regierungskrise in Frankreich: Macron und sein Premier stehen vor Herkulesaufgabe

Kaum zurück im Amt, muss Premierminister Sébastian Lecornu ein neues Kabinett hervorzaubern und den Sparhaushalt stemmen – während Misstrauensanträge und alte Renten-Streits auf ihn warten.

Frankreichs überraschend ins Amt zurückberufener Premierminister Sébastian Lecornu muss unter immensem Zeitdruck enorme Aufgaben bewältigen. Der Vertraute von Präsident Emmanuel Macron, der am Montag nach Streit um die Bildung einer Mitte-Rechts-Regierung zurückgetreten und am Freitagabend auf Geheiß des Staatschefs wieder zurückgekehrt war, muss übers Wochenende ein neues Kabinett aufstellen. Nach Wunsch Lecornus sollen diesmal keine Politiker mehr dazugehören, die eine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2027 erwägen.

Bereits am Montag muss Lecornu dann nach einer Sitzung seines frisch formierten Kabinetts den Haushalt fürs kommende Jahr einbringen. So ist es vorgeschrieben, wenn das Budget für das hoch verschuldete Land noch rechtzeitig in diesem Jahr in trockene Tücher kommen soll. Misslingt der Versuch, würde das hoch verschuldete und politisch wie wirtschaftlich ohnehin gelähmte Land noch stärker blockiert.

Am Haushalt hatte Lecornu schon während seiner ersten Amtszeit gearbeitet, die gerade einmal vier Wochen währte. Zuvor waren bereits seine beiden Vorgänger im Amt des Premierministers am Streit über den Haushalt gescheitert: Michel Barnier musste infolge eines Misstrauensantrags seinen Hut nehmen, François Bayrou verlor eine Vertrauensfrage. 

Lecornu droht Misstrauensvotum

Lecornu (39) droht in der kommenden Woche ebenfalls ein Misstrauensvotum. Frankreichs Linkspartei La France Insoumise (LFI) und das rechte Rassemblement National (RN) kündigten ein entsprechendes Votum gegen den wieder ernannten Premier unverzüglich an. Ob er dies übersteht, ist nicht sicher.

Im Anschluss an seinen Rücktritt war Lecornu von Macron beauftragt worden, mit den Parteien einen Ausweg aus der politischen Krise auszuloten. Nach Gesprächen zeigte Lecornu sich zwar optimistisch. Als der Präsident aber am Freitag selbst in Beratungen mit den Parteispitzen ging, schien nicht mehr ausgemacht, dass der Premier genügend politische Rückendeckung bekommt, um die Stabilität des Landes zu gewährleisten und den wichtigen Haushalt auf den Weg bringen zu können.

Streitthema Rente wird wieder diskutiert

Nach internen Beratungen am späten Abend schien es dann jedoch so, dass die Sozialisten den Premier nicht automatisch vom Start weg sanktionieren und auch die konservativen Républicains die künftige Regierung mehrheitlich unterstützen wollen.

Auf die Regierung kommt nach dem Haushalt gleich ein weiteres Streitthema zu. Auf Druck des linken Lagers hat Präsident Macron eine Verzögerung von Teilen seiner Rentenreform in Aussicht gestellt. Der Opposition dürfte das nicht reichen, während viele im Regierungslager angesichts der sich türmenden Staatsschulden und des enormen Spardrucks keine kostspieligen Abschwächungen der Reform vornehmen wollen.

Seit der vorgezogenen Parlamentswahl im Sommer 2024 ist Frankreichs Parlament in unterschiedliche politische Blöcke geteilt, die jeweils keine regierungsfähige Mehrheit besitzen, aber auch keine tragfähigen Bündnisse bilden und sich gegenseitig blockieren. Koalitionen wie etwa in Deutschland sind in Frankreich unüblich.

Frankreich tief in den roten Zahlen

Gemessen an der Wirtschaftsleistung hat Frankreich mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU nach Griechenland und Italien. Auch die Staatsausgaben gehören zu den höchsten in Europa. Das Haushaltsdefizit lag zuletzt bei 5,8 Prozent. Die EU hat bereits im Juli 2024 ein Defizitverfahren gegen Frankreich eröffnet.

Nötig scheint also ein Haushalt mit erheblichen Einsparungen – aber das zerstrittene Parlament ist uneins, ob die Finanzen mit weiteren Einschnitten oder neuen Steuern etwa für besonders Wohlhabende wieder ins Lot gebracht werden sollen.