VW-Konzern: Doppelrolle passé: Oliver Blume tritt als Porsche-Chef ab

Oliver Blume gibt den Chefposten bei Porsche ab. Jetzt heißt es für ihn: 100 Prozent Volkswagen. Was der Top-Manager in Stuttgart bewegt hat – und welche Baustellen er seinem Nachfolger hinterlässt.

Oliver Blume gibt den Vorstandsvorsitz bei Porsche ab – und konzentriert sich vollständig auf die Führung des Volkswagen-Konzerns. Anfang 2026 übernimmt der frühere McLaren-Manager Michael Leiters den Posten, wie das Stuttgarter Unternehmen nach einer Sitzung des Aufsichtsrats mitteilte. Parallel verlängerte das Kontrollgremium von Volkswagen Blumes Vertrag für die VW-Spitzenposition bis Ende 2030. 

Bereits am Vormittag hatte Porsche darüber informiert, dass es Gespräche mit dem 57-Jährigen über ein „einvernehmliches vorzeitiges Ausscheiden aus dem Vorstand“ gibt. Bei der Sitzung am Nachmittag bedankte sich Blume nach dpa-Informationen bei den Aufsichtsräten. Danach stellte sich sein designierter Nachfolger vor. Porsche-Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche hob in einer Mitteilung Leiters‘ jahrzehntelange Erfahrung in der Automobilindustrie hervor. 

Leiters selbst sprach von einem „fantastischen Unternehmen“ mit „ikonischen Sportwagen“. Er freue sich darauf, „gemeinsam die einzigartige Geschichte von Porsche fortzuschreiben.“ Der promovierte Maschinenbauer war früher 13 Jahre lang bei Porsche und vor seinem Engagement bei McLaren bei Ferrari. 

Mit Blumes Abgang geht eine einzigartige Konstellation in der deutschen Unternehmenslandschaft zu Ende: Denn der Manager führt seit gut drei Jahren zwei Börsenunternehmen. Im Oktober 2015 wurde er Vorstandsvorsitzender von Porsche. Am 1. September 2022 kam – kurz vor dem Porsche-Börsengang – der Chefposten bei der Konzernmutter VW hinzu. 

Druck auf „Teilzeitvorstandsvorsitzenden“

Bereits länger war über den Rückzug spekuliert worden: Aktionärsvertreter sahen Blumes Doppelrolle seit langem kritisch. Nicht nur wegen der riesigen Arbeitsbelastung, sondern auch wegen möglicher Interessenkonflikte. Sie forderten den Top-Manager wiederholt dazu auf, sich für die Führung von einem der Dax-Konzerne zu entscheiden. Hendrik Schmidt vom Fondsanbieter DWS kritisierte etwa, dass Porsche und VW die einzigen Börsenunternehmen in Deutschland seien, die sich einen „Teilzeitvorstandsvorsitzenden“ leisteten. 

Solche Vorwürfe ließ Blume an sich abprallen. Auch wenn sich der Ton in den vergangenen Monaten änderte: Er verteidigte seine Doppelrolle bis zuletzt als ein Erfolgsrezept mit mehr Vor- als Nachteilen. Unterstützung kam lange Zeit von den Milliardärsfamilien Porsche und Piëch, die im Volkswagen-Konzern die Mehrheit der Stimmrechte kontrollieren. 

Doch wie sieht die Bilanz des Top-Managers aus – und welche Baustellen hinterlässt er seinem Nachfolger?

Das hat Blume bei Porsche erreicht

Blume übernahm Porsche im Top-Zustand. 2015 war bis zu diesem Zeitpunkt das erfolgreichste Geschäftsjahr der Unternehmensgeschichte. Auf seiner ersten Bilanz-Pressekonferenz sprach der Manager von einem „selbst für Porsche-Maßstäbe außerordentlichen Ergebnis“. Das war bereits ein Vorgeschmack auf das, was danach noch kommen sollte.

Über Jahre hinweg ging es in Zuffenhausen fast ausschließlich aufwärts – mit Verkaufszahlen, Umsatz und Gewinn. Bei Blumes Amtsantritt verkaufte Porsche etwa 225.000 Autos jährlich. 2023, das Jahr mit dem höchsten Absatz bislang, waren es gut 320.000 Sport- und Geländewagen. Der Gewinn nach Steuern hat sich in seiner Amtszeit zwischenzeitlich mehr als verdoppelt. „In acht von zehn Jahren gab es Rekorde“, sagte Blume kürzlich in einem dpa-Interview.

Börsenstart als Triumph

Einer der größten Erfolge Blumes: der Börsengang im September 2022. Nach jahrelangen Spekulationen und monatelanger Prüfung sammelte Volkswagen mit dem Börsengang knapp 9,4 Milliarden Euro ein. Damit war es die größte Erstemission in Deutschland seit der Telekom im Jahr 1996. Und das, obwohl die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch die Corona-Folgen und den Ukraine-Krieg alles andere als rosig waren. 

Das Papier mit dem Kürzel „P911“ – benannt nach der Sportwagen-Ikone 911 – setzte danach zum Höhenflug an. Im Dezember 2022 stieg das Unternehmen bereits in den Leitindex Dax auf. Das mache Porsche „glücklich und stolz“, sagte Blume damals. Zwischenzeitlich war Porsche an der Börse auch mehr wert als die Konzernmutter VW. Das Hoch erreichte die Aktie im Frühjahr 2023 mit fast 120 Euro – nach einem Ausgabepreis von 82,50 Euro.

Diese Baustellen hinterlässt Blume 

Trotz des guten Laufs türmten sich insbesondere auf der Zielgeraden der gut zehn Jahre andauernden Ära Blume die Probleme. Die Absatzzahlen ließen zu wünschen übrig – vor allem in China lief es deutlich schlechter. Und auch der Gewinn rauschte zuletzt in den Keller. Der Konzernüberschuss von Januar bis Juni lag bei 718 Millionen Euro – 71 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. 

Aus dem einst erfolgsverwöhnten Sportwagenbauer ist ein Unternehmen im Krisenmodus geworden. Das ging auch an der Börse nicht vorbei: Der Wert des Papiers hat sich seit dem Höchstwert mehr als halbiert. Zuletzt schwankte der Wert um 41 Euro. Und Anfang September flog Porsche aus dem Dax.

In einem Brief an die Belegschaft skizzierte Blume im Sommer mehrere Gründe für die Misere: In China sei das Marktsegment für teure Luxusprodukte in kurzer Zeit förmlich zusammengebrochen. In den USA drückten die gestiegenen Zölle und perspektivisch vor allem die aktuelle Kursentwicklung des Dollars das Porsche-Geschäft. Probleme, für die sein Nachfolger Lösungen finden muss. 

Vom E-Auto zurück zu Verbrennern

Außerdem geht die Wende zum E-Auto nicht auf: Keine andere Marke im VW-Konzern hatte sich ein ähnlich ehrgeiziges Ziel gesetzt. Mehr als 80 Prozent aller Porsche-Neuwagen sollten bis 2030 vollelektrisch fahren. Davon ist nicht mehr viel übrig. In den ersten neun Monaten des Jahres lag der Anteil reiner Stromer bei 23,1 Prozent. Die E-Mobilität entwickle sich in vielen Märkten deutlich langsamer, als „wir und viele Experten es noch vor Jahren erwartet hatten“, so Blume.

Richten soll es angesichts der „Marktrealitäten und Kundenbedürfnisse“ nun stattdessen ein Verbrenner-Comeback bis weit ins nächste Jahrzehnt. Auch von den einst großen Batterie-Plänen des Managements ist wenig übrig. Für den Strategieschwenk rechnet der Hersteller mit Mehrkosten in Milliardenhöhe.

Porsche muss daher den Rotstift ansetzen – und seine Strukturen schrumpfen. Bis 2029 sollen in der Region Stuttgart rund 1.900 Stellen sozialverträglich abgebaut werden. Außerdem laufen die Verträge von rund 2.000 befristeten Angestellte aus. Ein weiteres Sparprogramm soll in den kommenden Wochen geschnürt werden. Darüber wird mit dem Betriebsrat derzeit verhandelt. Dabei dürfte nach dpa-Informationen neben zusätzlichen Stellenstreichungen auch die Jobsicherung zur Debatte stehen. 

Das sind die größten Aufgaben bei VW

Auch wenn Blume sich nun komplett auf VW konzentrieren kann: Die Probleme bei Porsche dürfte er auch von Wolfsburg aus im Blick behalten. Denn zuletzt belastete das schwache Abschneiden der früheren Gewinngiganten Porsche und Audi den Konzern. Die lange schwächelnde Kernmarke fuhr im zweiten Quartal sogar mehr operativen Gewinn ein als die Premium-Marken zusammen. 

Auch nach Ende des Tarifkonflikts mit der IG Metall gibt es im Konzern noch genügend offene Baustellen: Mit der Gewerkschaft muss jetzt bis Ende 2026 über eine Änderung der Tarifstruktur verhandelt werden, von der sich VW weitere Einsparungen verspricht. Und bis 2030 will die Kernmarke fast jede vierte Stelle in Deutschland streichen. Jetzt muss der Konzern zeigen, wie das ohne eine einzige betriebsbedingte Kündigung gelingen soll.

Mit dem Sparkurs will VW Überkapazitäten abbauen und die Gewinnmarge der ertragsschwachen Kernmarke erhöhen. Auf viel Rückhalt der Beschäftigten kann Blume nicht hoffen: In der Krise war der Unmut gewachsen. Hinzu kommen die Konzern-Dauerbaustellen: das wegbrechende China-Geschäft, der schleppende Elektro-Hochlauf, die konzerneigene Softwareschmiede Cariad, der Aufbau eigener Batteriefabriken und der Wettlauf beim autonomen Fahren. „Es gibt mehr als genug bei Volkswagen zu tun“, sagt Branchenexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach.