Abzocke an der Zapfsäule: Benzinpreise fallen zu langsam: Der Rakete-und-Feder-Effekt

Fallen die Ölpreise, sollten auch die Benzinpreise rasch folgen. Die Ölkonzerne lassen sich aber Zeit, klagt das Kartellamt: Die Preise steigen wie Raketen, aber fallen wie Vogelfedern.

Mehrfach fiel und stieg zuletzt der Rohölpreis, erst wegen Trumps Zolleskapaden, dann durch die Krise in Nahost. Autofahrer sind gewohnt, dass der Ölpreis auch die Benzinkosten beeinflusst. Dabei geht es allerdings alles andere als fair zu, wie nun das Kartellamt feststellte.

„An der Zapfsäule machen sich die Preisveränderungen erst verzögert bemerkbar“, erklärt Kartellamtspräsident Andreas Mundt. „Dabei sehen wir, dass Preissteigerungen deutlich schneller weitergegeben werden als Preissenkungen.“ Das Kartellamt spricht in diesem Zusammenhang vom „Rocket-and-Feather-Effect“ (zu Deutsch: „Rakete-und-Feder-Effekt“).

Dieser Effekt ist ein weitverbreitetes Phänomen in der Wirtschaft. Steigen die Einkaufspreise für Unternehmen, geben diese die höheren Kosten schnell weiter, um ihre Gewinnmarge zu schützen. Die Preise steigen so schnell wie Raketen. Fallen ihre Einkaufskosten, ist die Versuchung groß, dies nicht gleich weiterzugeben. Vor allem dann nicht, wenn auch keiner der Konkurrenten vorprescht. So weit, so logisch. Auch wenn das für die Kunden alles andere als fair ist.

Den Kunden bloß nicht zum Nachdenken bringen

Es gibt aber noch einen Grund, warum die Preise so langsam wie Vogelfedern fallen. Darauf wies jüngst der Finanzökonom Sergio Rebelo von der US-amerikanischen Kellogg School of Management in einer Studie über den Rocket-and-Feather-Effect hin. Jede große Preisänderung ist für den Kunden ein Signal, dass sich am Markt etwas Wesentliches geändert hat. Diese Erkenntnis bringt den Kunden aus seinen gewohnten Abläufen. Er fängt an, darüber nachzudenken, ob er vielleicht die Marke wechseln sollte. Das wollen die Anbieter möglichst vermeiden.

Das ist zum Beispiel der Grund, warum viele Lebensmittelhersteller lieber die Füllmenge verringern, als den Preis zu ändern. Ein Phänomen bekannt als „Shrinkflation“. Als Unternehmen will man die eigenen Kunden auf keinen Fall irritieren.

Schon länger studiert das Kartellamt das Marktverhalten der Ölkonzerne und hat inzwischen eine offizielle Untersuchung begonnen. Die Interessen der Konzerne sind sehr ähnlich und sie sind über gemeinsame Beteiligungen an Raffinerien auch noch miteinander verflochten.

Benzinpreise ändern sich 22 Mal am Tag

Währenddessen macht die Markttransparenzstelle des Kartellamts die Preise an den Tankstellen bereits seit über elf Jahren öffentlich. Kunden können über Apps erkennen, wo gerade in der Nähe der günstigste Ort zum Tanken ist. Das sollte in der Theorie eigentlich verhindern, dass es so etwas wie einen „Rakete-und-Feder-Effekt“ gibt. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall.

Stattdessen hat es dazu geführt, dass die Tankstellen über den gesamten Tag immer wieder den Preis leicht ändern, zeitweise sogar im Viertelstundentakt. Nach der Beobachtung des Kartellamts ändern die Tankstellen aktuell ihre Preise im Schnitt 22 Mal am Tag. Am Anfang der Preistransparenz waren nicht mehr als vier bis fünf Änderungen üblich.

Ölkonzerne haben die Flucht nach vorn gewählt

In gewisser Weise haben die Mineralölkonzerne damit die Flucht nach vorn angetreten: Sie ändern die Preise so regelmäßig, dass die Kunden darüber abstumpfen. Der ständige Wechsel ist das neue Normal. Das macht es immer schwerer zu erkennen, ob man gerade an einer günstigen oder teuren Tankstelle steht. Außer eben mit einer Tankstellen-App, wie zum Beispiel clever-tanken.de oder der Drive App des ADAC.

Bei der Markttransparenzstelle gibt es immer wieder Beschwerden, dass die Preise aus Apps an der Tankstelle nicht mehr zu kriegen waren, wenn die Kunden endlich dort angekommen waren. Das Kartellamt hat deshalb untersucht, wie wahrscheinlich es ist, trotzdem immer noch günstig zu tanken. Ergebnis: Selbst nach acht Stunden war die gefundene günstigste Tankstelle in zwei von drei Fällen immer noch die günstigste – im Vergleich zu den benachbarten fünf Anbietern.

Tabelle Benzinpreisvergleich

Trotz aller Verwirrspiele ist die Wahrscheinlichkeit also groß, mit der Tank-App gut zu liegen, auch wenn man etwas länger bis zur Zapfsäule braucht. Absolut sicher ist: Tanken auf Autobahnen ist immer eine schlechte Idee: Dort ist der Sprit im Schnitt 40 Cent teurer.