Streit um Festival: Rocken gegen Rechts – nach viel Streit Vorhang auf in Jamel

Die Macher sind Widerstand gewohnt, aber dieses Jahr war das Ringen um das bundesweit bekannte Musikfestival „Jamel rockt den Förster“ besonders zäh. Vor Gericht ging es durch die Instanzen.

Herbert Grönemeyer war schon da, die Toten Hosen und die Fantastischen Vier ebenso – am Freitag heißt es wieder „Vorhang auf!“ für das Musikfestival „Jamel rockt den Förster“ im gleichnamigen Dorf bei Wismar. Wieder haben sich „zwei große Headliner angekündigt“, sagt eine Sprecherin des Veranstalters. „Es wird auf jeden Fall sehr gut.“ Welche Hochkaräter es sind, wird wie in der Vergangenheit geheim gehalten. In diesem Jahr ist ein Streit um das Festival gegen Rechtsextremismus und für Demokratie eskaliert. Ein Streit mit der Gemeinde und dem Landkreis, der bis vor das oberste Verwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommerns ging.

„Ich glaube, es sind alle sehr müde, aber natürlich freuen wir uns alle drauf“, sagte die Sprecherin. Wie aufreibend die zurückliegenden Wochen waren, zeigt auch die Tatsache, dass sich das Ehepaar Horst und Birgit Lohmeyer kurz vor der diesjährigen Ausgabe nicht mehr selbst äußern wollen. Das aus Hamburg stammende Paar hatte das Festival 2007 ins Leben gerufen, um auf die starken rechten Strukturen in dem Dorf mit weniger als 40 Bewohnern aufmerksam zu machen.

Jahr startet mit Bedrohung

2015 hatten unbekannte Täter die Scheune der Lohmeyers in Brand gesteckt. Danach kamen Die Toten Hosen zum Überraschungsbesuch, seitdem folgten viele weitere bekannte Künstler. Auch dieses Jahr startete für die Lohmeyers mit Anfeindungen. Sie hatten mitgeteilt, dass Vermummte in der Silvesternacht auf ihr Grundstück gekommen und ihr Haus sowie sie selbst mit Feuerwerkskörpern beschossen und „Sieg heil“ gerufen hätten. Der Staatsschutz übernahm den Fall.

Ende Januar beschloss die Gemeinde Gägelow, zu der Jamel gehört, dass die Festival-Macher erstmals eine Nutzungsgebühr für Gemeindeflächen zahlen sollen. Nach Informationen des NDR hatte Bürgermeisterin Christina Wandel dies mit einer schwierigen Haushaltslage begründet. Ein Kaufangebot der Landgesellschaft in Höhe von etwa 80.000 Euro für die zum Großteil vom Festival genutzten Flächen hatte die Gemeinde laut Schweriner Landwirtschaftsministerium jedoch abgelehnt.

Bürgermeisterin äußert sich nicht

Wandel äußert sich nicht zum Festival. „Das ist doch alles gesagt“, sagt sie am Telefon der dpa. Ihr Vorgänger Friedel Helms-Ferlemann kann die Erhebung der Gebühr nicht verstehen. Er war 2024 nicht erneut zur Wahl angetreten und zuvor fünf Jahre Gägelows Bürgermeister gewesen. Schon zu seiner Amtszeit habe es Bestrebungen für eine Gebühr im Gemeinderat gegeben. „Das konnte aber abgebogen werden von meiner Seite.“ Ebenfalls während seiner Amtszeit hatte ein Gemeindevertreter die Lohmeyers wegen vermeintlicher Umweltvergehen angezeigt. Die Schweriner Staatsanwaltschaft hatte wegen fehlenden Tatverdachts aber von Ermittlungen abgesehen.

Um der Nutzungsgebühr von rund 8.000 Euro zu entgehen, hat der Veranstalter das Festival dieses Jahr als Versammlung angemeldet. Damit schaltete sich allerdings der für das Versammlungsrecht zuständige Landkreis mit Auflagen ein. Sowohl um die Gebühr als auch um die Auflagen entbrannte ein Rechtsstreit bis vor das Oberverwaltungsgericht in Greifswald (OVG).

Ein Ergebnis der höchstrichterlichen Befassung: Die Festivalbesucher dürfen am kommenden Wochenende Alkohol trinken. Einem vom Landkreis geforderten Verbot erteilte das OVG in zweiter Instanz eine Absage. Andere Auflagen hingegen, etwa ein Verbot von Glasflaschen oder die vorgegebene Anzahl von Ordnern, bestätigte das Gericht. 

Gerichtsverfahren zur Gebühr läuft weiter

Anfang August hatte die Gemeinde das kurz zuvor erhaltene Geld nach Angaben des Anwalts des Veranstalters wieder zurücküberwiesen. Demnach wollte sie den Vertrag nur abschließen, wenn der Veranstalter von vorneherein auf eine mögliche Rückforderung verzichtet. Das Schweriner Verwaltungsgericht entschied aber, dass die Gemeinde das Geld und den Vertrag annehmen muss. Ob die Gebühr rechtmäßig ist oder der Veranstalter sie später zurückfordern kann, ist Gegenstand eines laufenden Verfahrens.

„Das ist schon jetzt was sehr Besonderes“, sagt Helms-Ferlemann mit Blick auf die Streitigkeiten in diesem Jahr. Er verstehe nicht, wieso seine Nachfolgerin das Ganze so auf die Spitze hat treiben lassen. Andererseits hätte der Veranstalter auch einfach die Gebühr zahlen können. „Dafür gab es auch private Spender, die das Geld aufgebracht hätten.“ 

Nach den jüngsten Auseinandersetzungen habe sich die Front in der Gemeinde gegen die Lohmeyers noch mehr verhärtet. Einige seien der Auffassung, ohne die Lohmeyers gebe es dieses „Theater“ nicht. „Das ist natürlich Schwachsinn aus meiner Sicht“, sagt Helms-Ferlemann.

Im Gemeinderat hat sich mit der Wahl 2024 das politische Kräfteverhältnis verschoben. Nicht nur hat der bekannte Rechtsextremist Sven Krüger, der auch in Jamel wohnt, bei der Wahl der Gemeindevertretung vergangenes Jahr die meisten Stimmen erhalten. Seine Wählergemeinschaft Heimatliebe konnte außerdem einen weiteren Vertreter im Gemeinderat unterbringen.

Kritik vom Landrat

Auch der Landrat von Nordwestmecklenburg, Tino Schomann (CDU), meldete sich wiederholt zu Wort etwa mit Kritik am Schweriner Verwaltungsgericht. Der dpa sagte er, „alles, was Demokratie fördert und auch zeigt, dass wir vielfältig sind, das ist natürlich unterstützenswert“. Das Bild, das durch den Streit möglicherweise anderswo von der Region entstanden ist, sei nicht durch das Handeln der Gemeinde oder des Landkreises, sondern der Lohmeyers entstanden. Seines Wissens hätten Sponsoren für die Pachtzahlung bereitgestanden. „Also ob das alles so notwendig war, mache ich mal ein Fragezeichen dran.“

Der Veranstalter entgegnet, es gehe nicht um die Höhe der Pacht. Warum habe ein gemeinnütziger Verein überhaupt Pacht für öffentliche Flächen zu akzeptieren? Auch die geforderte Summe sei nicht erklärt worden. 

Veranstalter: Festival hat keinen kommerziellen Charakter

CDU-Landeschef Daniel Peters hatte dem Veranstalter die Ansicht vorgeworfen, „eine kommerzielle Veranstaltung als politische Versammlung tarnen zu können, um sich so der Kostenbeteiligung zu entziehen“. Der Veranstalter sagt: „Das Festival hat keinen kommerziellen Charakter. Es gibt keine Gewinnabsichten.“ Die Ticketpreise seien nicht kostendeckend, um Menschen nicht auszuschließen. Gewinne dürften nicht an Mitglieder des Vereins hinter dem Festival ausgezahlt werden. „Alle Ausgaben sind aufgrund der Gemeinnützigkeit an den Vereinszweck gebunden.“

Obwohl Bands auf Gagen verzichteten und Firmen keine Rechnungen stellten oder hohe Rabatte gewährten, habe das Festival etwa im vergangenen Jahr knapp 60.000 Euro verloren, so der Veranstalter. Das habe man durch Überschüsse aus Vorjahren und Spenden ausgleichen können.

Ungeachtet der Querelen ist das Festival ausverkauft. Weil die Nachfrage nach Tickets in den zurückliegenden Jahren immer größer wurde, wurden die Tickets dieses Jahr erstmals verlost. Insgesamt wurden mehr als 24.700 Tickets angefragt. Platz ist am Freitag- und Samstagabend aber nur für jeweils 3.500 Gäste. Stand angesichts der Schwierigkeiten dieses Jahr eine Absage im Raum? „Nein“, sagt die Sprecherin des Veranstalters. „Das stand überhaupt nicht zur Debatte, das Festival dieses Jahr abzusagen. Auf gar keinen Fall.“