Der frühere Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) muss sich wegen einer Aussage zur gescheiterten Autobahnmaut vor Gericht verantworten. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft erhob laut Mitteilung vom Mittwoch Anklage gegen den CSU-Politiker wegen einer mutmaßlichen Falschaussage im Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Scheuer sagte der „Bild“-Zeitung, er werde sich „gegen diesen unbegründeten Vorwurf (…) mit aller Kraft zur Wehr setzen und meine Unschuld verteidigen“.
Scheuers Name ist eng mit dem Desaster bei der Pkw-Maut verbunden. Bei den in Rede stehenden Aussagen vor dem Ausschuss geht es um die Frage, ob Verträge mit einer Maut-Firma unterzeichnet worden waren, obwohl die Gefahr bestand, dass das Projekt vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gestoppt wird.
Scheuer und der mitangeklagte frühere Staatssekretär Gerhard Schulz sollen laut Anklage „entgegen ihrer tatsächlichen Erinnerung“ gesagt haben, dass sie sich nicht an ein Angebot der Mautfirma erinnern konnten, die Verträge erst nach der EuGH-Entscheidung zu unterzeichnen. Laut Anklage soll es sich dabei um bewusste Falschaussagen handeln. Die beiden Angeschuldigten bestreiten den Vorwurf.
Wie vor Gerichten sind auch uneidliche Falschaussagen vor Untersuchungsausschüssen von Gesetzgebungsorganen von Bund und Ländern strafbar. Zwischen Oktober 2020 und Januar 2021 waren Scheuer und Schulz mehrfach vom Untersuchungsausschuss des Bundestags zu den Abläufen der Vertragsverhandlungen mit den Betreiberfirmen befragt worden.
Im Mai 2022 leitete die Staatsanwaltschaft wegen mehrerer Strafanzeigen Ermittlungen ein, die nun zur Anklage beim Landgericht Berlin I führten. Eine Gerichtssprecherin bestätigte gegenüber AFP, dass die Anklage eingegangen sei. Über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung und die Eröffnung des Hauptverfahrens sei noch nicht entschieden. Bis zur rechtskräftigen Verurteilung gelte die Unschuldsvermutung.
Scheuer betonte in der „Bild“, dass es bei dem Prozess nicht um das Scheitern der Maut an sich gehe. „Dafür habe ich die politische Verantwortung – auch für andere – bereits übernommen“, sagte Scheuer. Die Anklage-Erhebung sei für ihn nicht nachvollziehbar und mache ihn betroffen. „Die Motive und der Zeitpunkt für die Anklage sind mir unverständlich und erscheinen mehr politisch motiviert“, sagte der Ex-Minister.
Die von der CSU im Wahlkampf als „Ausländermaut“ propagierte Gebühr war 2019 vor dem EuGH gescheitert, weil nur ausländische Autofahrer zahlen sollten. Scheuer kündigte daraufhin die Verträge mit der Maut-Firma Autoticket, wies Entschädigungsforderungen der Firma aber zurück. Zur Klärung rief das Verkehrsministerium 2020 ein Schiedsgericht an. Dies entschied, dass der Bund 243 Millionen Euro an die Betreiberfirma der Pkw-Maut zahlen muss.
Die Bundesregierung wollte sich zu der Anklageerhebung nicht äußern. Es gehe hier nur „um die Person Andreas Scheuer“, sagte eine Sprecherin des Verkehrsministeriums.
Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch begrüßte die Anklage gegen den früheren Minister. „Andreas Scheuer hat den Steuerzahler hunderte Millionen Euro gekostet, weil er statt seriöser Politik für das Land zu machen nur zum Wohle der CSU und für sein eigenes Wohl gehandelt hat“, erklärte Audretsch.
„Eine lückenlose Aufklärung ist längst überfällig, und durch das Verfahren werden hoffentlich auch die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen“, erklärte der Linken-Abgeordnete Jörg Cezanne.
Die FDP sieht die Arbeit des Untersuchungsausschusses bestätigt. „Die Ergebnisse des U-Ausschusses waren (…) glasklar“, sagte der frühere Obmann der FDP im Maut-Untersuchungsausschuss, Oliver Luksic. Es sei daher überraschend, „dass die Staatsanwaltschaft so spät nun aktiv wird“.
Von 2009 bis 2013 war Scheuer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, von 2013 bis 2018 unter dem damaligen CSU-Chef Horst Seehofer Generalsekretär der Christsozialen. Anschließend war Scheuer bis 2021 Bundesverkehrsminister. Im April 2024 legte er sein Bundestagsmandat nieder.