Neue ARD-Doku: Verehrt und verspottet – die Tragödie des Daniel Küblböck

Vor vier Jahren wurde Daniel Küblböck offiziell für tot erklärt. Eine dreiteilige ARD-Serie zeichnet seinen, oder besser, den ungewöhnlichen Lebensweg des einstigen DSDS-Stars nach. 

Ein Gastauftritt bei „Kaulitz Hills“. Ein schöner Spaziergang mit Riccardo Simonetti. Mit einem eigenem Podcast erfolgreich. Vielleicht aber auch ein zurückgezogenes Leben auf Mallorca. Irgendwo in den niederbayrischen Bergen. Oder auf einem Kiez in Berlin. Was wäre für Lana Kaiser nicht alles möglich gewesen, wenn … ja, was eigentlich? Wenn die Welt in den Nuller Jahren eine andere gewesen wäre? Die Menschen toleranter, die Medien milder? 

Hätte, hätte, Verwertungskette – die Welt war und ist nun mal, wie sie war. Und in diese Welt stolpert Daniel Küblböck im Herbst 2002 als hoffnungsvoller Kandidat der ersten Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ – optisch ein Mix aus Fähnlein Fieselschweif und Nana Mouskouri, die Gitarre vor dem Bauch, einen großen Traum im Herzen. Wenig später wird dieser Daniel Küblböck Stammgast in deutschen Wohnzimmern. Bis auf den dritten Platz der Castingshow kämpft sich Küblböck am Ende, für viele ist er ohnehin der Sieger der Herzen. Es ist der Beginn einer Erfolgsstory mit hochtragischem Ausgang. Tristan Ferland Milewski und Ilona Tolle erzählen sie jetzt in der dreiteiligen ARD-Serie „Die Küblböck-Story – Eure Lana Kaiser. 

Daniel Küblböck wurde zu einer Art Wreckingball

 „Man muss sich vor Augen halten, wie die Welt damals aussah, wie rasant sich alles in den 2000ern entwickelt hat“, erzählt Lucy Diakovska von den No Angels. „Das Internet war neu, so etwas wie Castingshows hatte es noch nie gegeben. Wir wurden Produkte.“ Küblböck fällt in dieser Produktwelt die Rolle des kontroversen Clowns zu. 

Seine Stimme ist brüchig, sein Charme riesig. Sein Wesen drückt ein ganzes Tableau an Reizknöpfen, da ist dieser Welpenfaktor, der den Beschützerinstinkt weckt, das Geckenhafte, mit dem er polarisiert. Und natürlich das unverstellte Spiel zwischen männlich und weiblich, den sexuellen Präferenzen, die ihm wohl selbst noch nicht ganz klar sind. „Die Geschlechterrollen waren zementiert, die Schubladen aufgeteilt“, erklärt die Journalistin und Trash-TV-Expertin Anja Rützel. „Frauen waren phänotypisch schön, die Männer stark. ‚DSDS‘ war eine Leistungsschau, ein humorloses Verwertungsspektrum. Daniel Küblböck wurde zu einer Art Wreckingball in diesem System, nach dem Motto: Ich wehre mich jetzt.“ 

Positive Energie, das ist das Credo des jungen Küblböck, zudem der Titel seines ersten Albums, das 2003 erscheint und bis auf Platz 2 der deutschen Albumcharts vorstößt. Ein Erfolg, der einmalig bleiben sollte.

Auf rasante Weise wird aus dem fröhlich-freien Spring-ins-Feld ein nationales Pop-Phänomen, doch die Rolle des ’Wreckingballs‘, der Abrissbirne, hat ihren Preis. Heute sind LGBTQ+-Themen integraler Teil der Kultur, ist der Blick auf den Umgang mit Queerness ein ganz anderer. Damals begegnet man dem Ganzen mit einer Mischung aus Ironie und Spott. Deutschland lacht über Brisko Schneider, Bastian Pastewka in der Rolle der, nennen wir es mal so archaisch, exaltierten Tucke, so etwas sorgt für gute Quoten. Ein Stereotyp, wie er im Buche steht: Schwule und Lesben, das sind die Paradiesvögel, die Exoten, schräge Exhibitionisten, die ohnehin niemand so richtig ernst nimmt.

Wenn Küblböck in Talkshows, wie etwa bei Markus Lanz, auftaucht, wird der Ton entsprechend hochmütig. Dem vermeintlichen Exoten schlägt eine Welle aus Voyeurismus und Homophobie entgegen, unter dem Deckmantel des Interesses lauert die chronische Gier nach der nächsten Schlagzeile. Man hätte den Spagat zwischen Berichterstattung und Verantwortung gut hinbekommen, so Malte Biss, damals für die „Bild“-Zeitung unterwegs. Der wohl zynischste Satz in dieser Story, die doch eigentlich zum Weinen ist. Mit den misanthropischen „Bild“-Schlagzeilen rund ums Thema Küblböck könnte man ganze Bände füllen. 

Lana Kaiser: Vom Rampenlicht ins Nichts verschwunden

Es ist eine tieftraurige Geschichte, diese Küblböck-Story. Sein Rückzug nach Mallorca, der Umzug nach Berlin. Jener Stadt, in der man „leicht unter die Räder kommt“, wie Olivia Jones es ausdrückt. Weggefährtinnen wie „DSDS“-Gracia Baur und Schauspiel-Kollegin Friederike Dörr kommen zu Wort, die Jugendbetreuerin Birgit Rudloff, die Ex-Freunde Robin Gasser und Manuel Pilz. „Was hat ihn bewegt, so einen Schritt zu gehen?“, fragt sich Gracia und weiß, dass diese Frage wohl nie beantwortet wird. Das Ende von Lana Kaiser, wie Küblböck sich schließlich nennt, ist die mysteriöse Pointe in dieser schicksalhaften Charade. Vom Rampenlicht ins Nichts verschwunden. 

An Bord eines Kreuzfahrschiffes gegangen – und nie wieder zurück an Land. „Heute hätte sie ihren Platz gefunden“, so Lucy Diakovska über das, was für Lana Kaiser vielleicht noch möglich gewesen wäre. „Sie war ein queerer Meilenstein, den man nicht vergessen sollte“, stellt Riccardo Simonetti fest. „Die Küblböck-Story – Eure Lana Kaiser erinnert an diesen Meilenstein, an Daniel alias Lana, ein sensibles Porträt – vielschichtig und stimmungsvoll. Und sehr, sehr traurig. 

Ab 26. August 2025 in der ARD-Mediathek