Verhaltenskodex verletzt: Nestlé feuert Konzernchef, weil er Beziehung zu Mitarbeiterin verschwieg

Ein Jahr nach seinem Amtsantritt muss Nestlé-Konzernchef Laurent Freixe schon wieder gehen – weil er eine Beziehung zu einer unterstellten Mitarbeiterin nicht offengelegt habe.

Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé hat Konzernchef Laurent Freixe mit sofortiger Wirkung abgesetzt. Der Schritt folge auf eine Untersuchung zu einer nicht offengelegten „romantischen Beziehung“ Freixes mit einer ihm direkt unterstellten Mitarbeiterin, wie das Unternehmen in Vevey mitteilte. Damit habe Freixe interne Richtlinien verletzt. Nachfolger wird Philipp Navratil, der bisher das Geschäft mit dem Konzernbereich Nespresso leitete und in der Konzernleitung sitzt. Unter der Leitung des schweizerisch-österreichischen Doppelstaatlers will der Hersteller von Maggi und KitKat an der bisherigen Strategie und auch an den Finanzzielen festhalten.

„Dies war eine notwendige Entscheidung“, erklärte Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke. „Nestlés Werte und Governance bilden das solide Fundament unseres Unternehmens.“ Einer mit der Situation vertrauten Person zufolge wurde Nestle bereits im Frühjahr über eine interne Whistleblower-Hotline auf die Beziehung hingewiesen. Eine interne Untersuchung habe keine Belege ergeben, Freixe selber habe verneint, dass er eine Beziehung zu einer Unterstellten unterhalte. Nach einer externen Untersuchung und weiteren internen Meldungen habe Nestle dann gehandelt, so die Person. Freixe erhalte kein Abgangspaket, erklärte ein Firmensprecher.

Navratil ist seit 24 Jahren bei Nestlé. Er begann seine Karriere bei dem Unternehmen 2001 in der internen Revision. Vor einem Jahr wurde er zum Nespresso-Chef ernannt. Seit Anfang Januar sitzt Navratil in der Konzernleitung.

Neuer Nestlé-CEO will gegensteuern

Der erneute Chefwechsel kommt zur Unzeit für den Konzern. Freixes Vorgänger musste das Unternehmen verlassen, nachdem Nestle Ziele verfehlt und an Rückhalt bei Investoren und Mitarbeitern verloren hatte. Anleger sind auch mit Bulcke unzufrieden, der 2026 dem ehemaligen Inditex-Manager Pablo Isla Platz machen wird. Der Firmenveteran Freixe hätte Nestle eigentlich in ruhigere Gewässer steuern und das Wachstum wieder ankurbeln sollen. Die Investoren überzeugte er damit noch nicht richtig. Mit gut 75 Franken notiert die Aktie weit unter dem Höchststand von knapp 130 Franken Anfang 2022. Im gleichen Zeitraum haben die Erzrivalen Unilever und Danone deutlich zugelegt.

Navratil will nun gegensteuern. „Ich freue mich darauf, mit der gesamten Unternehmensführung und in naher Abstimmung mit dem Verwaltungsrat, dem Präsidenten Paul Bulcke und dem designierten Präsidenten Pablo Isla daran zu arbeiten, die Umsetzung unserer Strategie zu beschleunigen und unseren Wertschöpfungsplan intensiv voranzutreiben“, so der 1976 geborene.

Analysten reagierten kritisch. „Wir sind enttäuscht, dass der neue CEO derzeit gezwungen ist, die Strategie seines Vorgängers fortzusetzen, obwohl der Markt angesichts der historisch niedrigen Aktienbewertung von Nestlé an deren Erfolg zweifelt“, erklärte die Experten der US-Großbank JPMorgan. Mit dem erneuten Wechsel dürfte die Frage nach der mittelfristigen Ausrichtung des Unternehmens weiter schwelen, bis mehr über die Pläne von Navratil bekannt werde.

Nestlé mit rund 277.000 Beschäftigten ist der größte Lebensmittelkonzern der Welt. Das Unternehmen vertreibt nach eigenen Angaben mehr als 2.000 Marken in 185 Ländern und kommt auf einen Börsenwert von mehr als 200 Milliarden Euro. In den vergangenen Jahren hatte sich der Aktienkurs schwach entwickelt, was Kritik von Investoren hervorrief.

Freixe ist nicht der erste Firmenboss, der in diesem Jahr über eine Affäre stolpert. Im Juli erklärte der damalige CEO der US-Techfirma Astronomer, Andy Byron, seinen Rücktritt. Zuvor war bei einem Coldplay-Konzert durch eine sogenannte Kiss-Cam seine Liaison zu einer Mitarbeiterin aufgeflogen.