Bei Ermittlungen zu Mord und Totschlag kommt die Polizei in manchen Fällen nicht weiter. In Hamburg gibt es mehrere Hundert solcher Cold Cases.
Beim Hamburger Landeskriminalamt sind 461 Cold Cases anhängig. 18 der Altfälle werden zurzeit bearbeitet, wie der Senat auf eine Anfrage der AfD-Bürgerschaftsfraktion mitteilte. Zu den übrigen 443 Fällen liegen aktuell keine Ermittlungsansätze vor. Es handele sich ausschließlich um vollendete oder versuchte Tötungsdelikte sowie Vermisstenfälle, bei denen die Polizei von einem Tötungsdelikt ausgehe. Vor gut einem Jahr hatte der Senat die Zahl der Cold Cases mit 441 angegeben.
Da ein Totschlag erst nach 20 Jahren – in besonderen Fällen nach 30 Jahren – verjährt und Mord nie, befassen sich Ermittler in Deutschland auch mit unaufgeklärten Taten, die vor langer Zeit begangen wurden. Insbesondere die erneute Analyse von DNA-Spuren oder Fingerabdrücken trage zur Aufklärung bei, erklärte der Senat.
Täter ermittelt und freigesprochen
In einem Prozess um einen Cold Case hatte Ende vergangenen Jahres das Landgericht Hamburg einen Angeklagten freigesprochen. Die Kammer sei der festen Überzeugung, dass der 54-Jährige im Jahr 1992 einen Blumenhändler getötet habe, sagte die Vorsitzende Richterin. Doch für eine Verurteilung wegen Mordes, der nicht verjährt, müssten bestimmte Mordmerkmale vorliegen – und die Richter seien nicht sicher, ob eines erfüllt sei. Ein Totschlag sei inzwischen verjährt.
Der damals 21-Jährige hatte nach Feststellung des Gerichts im März 1992 zusammen mit dem späteren Opfer in dessen Wohnung im Stadtteil Horn Alkohol getrunken. Es sei vereinbart worden, dass der Angeklagte gegen Geld Sex mit dem Blumenhändler habe. Während eines Streits habe er dem 60-Jährigen mehrfach mit einer Flasche auf den Kopf geschlagen und ihn schließlich mit einem Bettlaken erdrosselt.
AfD fordert Verstärkung der Cold-Case-Einheit
Im September 2016 hatte die Hamburger Polizei eine spezielle Ermittlungsgruppe für Cold Cases gegründet. Doch im Herbst 2018 geriet die Sonderkommission in die Kritik. In einem Cold-Case-Verfahren sprach das Landgericht einen Beschuldigten frei. Laut Anklage sollte er versucht haben, im Jahr 1980 eine Jugendliche im Stadtteil Steilshoop zu ermorden. Die Vorsitzende Richterin warf der Soko vor, unter anderem Zeugen getäuscht und den Hauptbelastungszeugen mit einer Belohnung zur Aussage bewegt zu haben. Die Ermittlungsgruppe war daraufhin innerhalb des Landeskriminalamts neu strukturiert worden.
Die AfD-Fraktion fordert jetzt eine deutliche Stärkung der Cold-Case-Einheit. „Hamburg muss alles daransetzen, dass auch alte Gewaltverbrechen aufgeklärt werden“, erklärte Fraktionschef Dirk Nockemann. Die Einheit brauche dafür mehr Personal, bessere Technik und klare Strukturen. „Wir schulden dies nicht nur den Opfern, sondern auch dem Rechtsstaat“, so Nockemann weiter.