E-Mail statt Papier: Hessens Minister Pentz plädiert für ein Umdenken beim Bürokratieabbau – und setzt dabei auch auf digitale Lösungen. Die Opposition sieht nur kleine Schritte.
Im Kampf gegen überbordende Bürokratie fordert Hessens Entbürokratisierungsminister Manfred Pentz (CDU) einen Kulturwandel im Verhältnis zwischen Staat und Bürgern. Es werde nicht ausreichen, übermäßige Regulierung abzubauen, sagte er in einer Regierungserklärung im Landtag in Wiesbaden. „Wir brauchen ein neues Mindset in den Amtsstuben, in den Institutionen und in den Unternehmen“, ergänzte der Minister.
Der Staat müsse schon bei der Schaffung von Vorschriften genau begründen, warum er beispielsweise Daten von Unternehmen abfrage. Genehmigungsverfahren sollten sich am Regelfall orientieren und nicht an jedem denkbaren Sonderfall, Schwellenwerte und Bagatellgrenzen sollten angehoben werden, führte Pentz aus.
Minister fordert Mut für weniger Bürokratie
Der Minister bekräftigte auch: „Mehr Freiheit vom Staat gibt es nur mit mehr Eigenverantwortung für den Bürger.“ Bürokratieabbau werde zu einer Frage des Mutes und des gesellschaftlichen Klimas. Pentz warb für ein geplantes Gesetz. Unter anderem sollen viele Verwaltungsvorgänge künftig per E-Mail möglich sein. Bei der Anmeldung zu Prüfungen oder Berufszulassungen müssen Dokumente nicht mehr im Original oder in beglaubigter Kopie vorgelegt werden – es reicht eine digitale Kopie.
Mail statt Ausdrucken?
„Mit 120 konkreten Maßnahmen in über 90 Vorschriften schaffen wir überflüssige Beglaubigungen ab, führen die Textform statt der Schriftform ein und beschleunigen Genehmigungsverfahren“, fasste der Minister zusammen. Statt Unterlagen auszudrucken, könnten sie künftig digital per Mail übermittelt werden. Als Beispiel nannte der Minister Pflegeheime, die künftig von bestimmten Berichtspflichten entlastet würden.
Grüne warnen vor niedrigeren Standards für Naturschutz
Jürgen Frömmrich von der Grünen-Opposition sagte, auch seine Fraktion sei für Bürokratieabbau. Der Gesetzentwurf der Landesregierung sei aber sehr kleinteilig. „Wo sind die großen Linien?“, fragte Frömmrich. Zentrale Forderungen der Wirtschaft blieben unberücksichtigt. Schwarz-Rot mache viel Öffentlichkeitsarbeit zur Entbürokratisierung, setze aber wenig in die Tat um. Frömmrich konstatierte „Schneckentempo“ anstelle des vorgeblichen „Hessentempos“. Zugleich mahnte der Fraktionsvize der Grünen, Ziele des Bürokratieabbaus nicht zu missbrauchen, „um beim Klima-, Umwelt- und Naturschutz Standards zu senken, Schutzrechte abzubauen und Beteiligungsrechte zu schleifen“.
Pinzette statt Heckenschere?
Der FDP-Parlamentarier Oliver Stirböck kommentierte mit Blick auf den Gesetzentwurf: „Kein Befreiungsschlag, aber immerhin ein kleiner Schritt.“ Vor allem seien hier der Wegfall von Berichtspflichten und Beglaubigungen sowie Verfahrensbeschleunigungen vorgesehen. Das sei zu wenig, als hätte Minister Pentz „zur Pinzette gegriffen, wo besser die Heckenschere zum Einsatz käme“. Überregulierung lähme Kreativität, blockiere Innovationen und hemme Wachstum, betonte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Opposition.
Digitales Estland als Vorbild?
Stirböck forderte unter anderem eine Digitalpflicht für sämtliche Verwaltungsakte: „Ziel muss sein, dass alle Anträge, Genehmigungen und Bescheide digital, barrierefrei und medienbruchfrei sind und in der Verwaltung kein Papier mehr erforderlich ist.“ Er verwies auf Estland, wo „100 Prozent der Behördenleistungen voll digitalisiert sind“.
Der europapolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Christian Rohde, kritisierte, Minister Pentz wecke mit seinem „Gesetzchen Hoffnungen beim Bürger, die es in der Realität niemals wird erfüllen können“. Mehr als zwei Drittel der Änderungen beträfen Vorgänge, bei denen zukünftig statt beglaubigter nur einfache Kopien vorgelegt werden müssten. Es sei eher ein „Antibeglaubigungs-Gesetz“ als ein Bürokratieabbaugesetz, sagte Rohde.