Klassiker der Weltliteratur: Diese 20 Bücher sollten Sie gelesen haben

Sie wollen ein gutes Buch finden – aber wissen nicht, wo Sie anfangen sollen? Dann hilft der stern-Wegweiser durch die besten Werke der Literaturgeschichte.

stern-Mitarbeiter Jochen Siemens stellt 20 Bücher vor, die vielleicht nicht die Welt, sicher aber die Welt der Lesenden verändert haben. Weil sie größer denken und fühlen lassen – und Grenzen verschieben. Auch weil Lesen immer das größte Abenteuer bleibt, das man ganz für sich hat.

Jean-Paul Sartre: „Das Spiel ist aus“Rowohlt, 144 S., 14 Euro

Die Toten leben einfach mit uns weiter, wir sehen sie nur nicht: Listig und herzhaft machte Sartre aus dieser Fantasie 1943 ein politisches Liebesdrama zwischen Arm und Reich. Eve und Pierre sterben an unterschiedlichen Ursachen, dürfen aber durch eine Tür wieder ins Reich der Lebenden, wo sie unsichtbar sind. Und sich ineinander verlieben. Auch Tote haben ein Herz, aber geht das gut aus?

Stefan Zweig: „Brief einer Unbekannten“ , S. Fischer, 96 S., 15 Euro

Hier kann man erleben, wie Lesen zu einem Sog wird, denn Zweigs Brief einer Frau an einen Mann, den sie schon als Mädchen verehrte, dem sie nachstellte und der ihr Liebhaber für wenige Nächte wurde, ist so atemlos geschrieben, dass man selbst vergisst, Luft zu holen. Es ist die Unbedingtheit und gleichzeitig die Sinnlosigkeit ihres Flehens, doch bitte sie und das gemeinsame Kind endlich wahrzunehmen, die Zweig in dieser Novelle zu einem unerhörten Sittengemälde der 1920er-Jahre verdichtet. Es geht einem so nahe, dass man der Frau beim Lesen tröstende Worte zurufen möchte. Doch es ist der letzte Brief ihres Lebens.

Daniel Kehlmann: „Die Vermessung der Welt“,
Rowohlt, 384 S., 14 Euro

Ein wunderbarer gedankenphilosophischer Smoothie über die zwei Wissensgenies Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt, deren Leben und Missionen Kehlmann mit so feiner Ironie und klugem Witz erzählt, dass man nach dem ersten Lesen die beiden sofort vermisst und gleich wieder von vorn anfangen möchte.

Charles Dickens: „Oliver Twist“ , Insel Taschenbuch 463 S., 10 Euro

Mit „Kinder haben fast immer Hunger“ setzte Charles Dickens 1837 den Ton in einem der ersten Sozialromane der Geschichte. Das Leben des Waisenjungen Oliver Twist, der nach London flieht, gezwungen wird zu stehlen und am Ende adoptiert wird, ist bis heute aktuell, weil Dickens die Armut und den Hunger so sprachgewaltig erzählt, dass man den Dreck der Gassen beim Blättern der Seiten fühlt.

Haruki Murakami: „Gefährliche Geliebte“, btb, 217 S., 12 Euro

Die Kritik feierte es als Sensation erotischer Literatur, doch das ist unterbewertet. Der Japaner Murakami erzählt im Sound einer Jazz-Bar die Geschichte eines Mannes zwischen zwei Frauen so innig, dass man sich fragt, ob die unerreichte Liebe nicht doch die bessere ist.

Ernest Hemingway: „Der alte Mann und das Meer“, (Ü.: Werner Schmitz), Rowohlt, 160 S., 14 Euro

Santiago, man wird den Namen nie vergessen, dieser alte Fischer, muss allein aufs Meer, weil ihm niemand mehr einen Fang zutraut, und da sitzt er und ein Marlin beißt an. Santiago zieht an der Leine, der Marlin zieht auch, und das geht die ganze Nacht und wird zu einem Gleichnis Mensch-Fisch-Natur.

J. D. Salinger: „Der Fänger im Roggen“, Rowohlt, 272 S., 13 Euro

Muss man den noch erklären? Den „Fänger“, millionenfach auf der Welt gelesen, er hat ganze Generationen geprägt? Ja, unbedingt. Held Holden Caulfield, 16, von der Schule geflogen, verzweifelt in seiner jugendlichen Wut an allem, was erwachsen ist. Auf einer Odyssee im winterlichen New York trifft er einen alten Lehrer, eine Prostituierte und seine Schwester. Salinger schuf mit dem „Fänger“ ein Buch wie eine Rettungsinsel im tosenden Meer der Pubertät. Egal, wie alt man ist, den „Fänger“ zu lesen, hält ewig jung.

Jurek Becker: „Jakob der Lügner“, Suhrkamp, 288 S., 10 Euro

Jakob Heym lebt in einem Ghetto der Nazis und sagt, er besitze ein Radio und habe gehört, dass die russischen Befreier nicht mehr weit weg seien. Aber er hat kein Radio, er lügt. Doch die Lüge macht im Ghetto Hoffnung, die Menschen träumen wieder vom Leben. Beckers Buch wühlt so auf, dass man am Ende neu über Lügen nachdenkt.

Jules Verne: „Reise um die Erde in achtzig Tagen“, Diogenes, 272 S., 12 Euro

In dem festen Glauben, dass der Weg das Ziel des Reisens sei, schrieb Jules Verne 1873 dieses amüsante und atemlose Abenteuer eines Mannes und seines Dieners, die für eine Wette nicht um den Globus rasen, sondern: reisen. Erkenntnis: Bevor es Airbnb gab, war das Reisen und nicht das Ankommen eine Kultur.

Elena Ferrante: „Meine geniale Freundin“, Suhrkamp, 488 S., 12 Euro

Ein Buch wie eine Mitfahrgelegenheit durch das Aufwachsen zweier Mädchen im Neapel der 1950er-Jahre. Laut, zärtlich, gewalttätig, reich, arm, mal grau, mal bunt. Die größte Heldin ist aber die Freundschaft, wie nur Frauen sie leben können.

Guy de Maupassant: „Bel-Ami“, Penguin, 464 S., 12 Euro

Paris, 1885: Der Schönling und geistige Hochstapler Duroy arbeitet als Journalist, lässt aber andere für sich schreiben, weil er das gar nicht kann. Was er aber kann, ist Frauen verführen, die seiner Karriere nutzen, und so fummelt und schläft sich Duroy durch die Betten der Pariser Gesellschaft. Maupassants Buch ist eines der besten Sittengemälde des 19. Jahrhunderts, mal amüsant, mal böse – und kann Spuren von Pornografie enthalten.

Philip Roth: „Empörung“, Hanser, 208 S., 18 Euro

Es gibt Bücher, die liest man, und sie verlassen einen nie wieder. Die Geschichte von Marcus ist so eine. Amerika, 1950er-Jahre, Marcus, junger Student, tapst ins Leben aus erster Freundin, erstem Sex und einer rigide verordneten Religiosität, der er sich verweigert. Und weil er sich auch anderen Normen verweigert und auf sich selbst beharrt, muss er die Universität verlassen und als Soldat in den Korea-Krieg ziehen. Roth hat hier eine der besten Parabeln über einen Menschen geschrieben, der alles richtig machen will. Manchmal braucht der Autor nur zwei, drei Sätze, um auszudrücken, wofür andere ganze Bücher vollschreiben.

Carlos Ruiz Zafón: „Der Schatten des Windes“, Fischer, 565 S., 16 Euro

Ein Buch wie ein Labyrinth, in dem man jedem Weg nachgeht, weil jede Biegung eine neue Zeit oder neue Welt eröffnet. Mit Barcelona in den 1920er-Jahren fängt es an und geht dann tief in eine unerhörte, pralle Geschichte aus Liebe, Intrige, Verbrechen, Versöhnung – ach, man will gar nicht mehr aufhören und liest selbst beim Zähneputzen weiter.

Truman Capote: „Erhörte Gebete“, Kein & Aber, 240 S., 13 Euro

Keiner konnte und wollte so gut mit Gift und Galle erzählen wie Capote. Das Buch ist die Mutter allen bösen Tratsches und Verrats der Geheimnisse, Eitelkeiten und Verlogenheiten der Reichen und Schönen im New York seiner Zeit. Und es ist die Erkenntnis, dass es manchmal Bosheit braucht, um die Wahrheit zu finden.

John Green: „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“, Hanser, 288 S., 11 Euro

An alle, die das noch nicht kennen: sofort besorgen, auch für Kinder ab achter Klasse oder für Opa und Oma. Und dann alle diese das Herz umkrempelnde Geschichte der krebskranken Hazel und ihres auch kranken Freundes Gus lesen. Schöner und gewaltiger und zwischen Lachen und Weinen hat nie jemand aufgeschrieben, dass es auch ein wunderbares Leben, wunderbare Liebe und große Träume als Krebskranker gibt. Man darf das alles nur nicht hergeben, man muss es sich immer wieder neu erobern, egal, wie viel Zeit noch ist, sagt Gus.

Sylvia Plath: „Die Glasglocke“, (Ü.: Reinhard Kaiser), Suhrkamp, 262 Seiten, 12 Euro

„Ich wusste, irgendetwas stimmte in diesem Sommer nicht mit mir“: Nach diesem ersten Satz ist der Leser schon am Haken. Und Plath, „die rücksichtsloseste Dichterin“ (John Updike), zieht einen gnadenlos ins New York der 1950er-Jahre und zu dessen Upperclass-Töchtern, um dann Erzählerin Esther immer tiefer in Depressionen fallen zu lassen. Einer der besten Romane über das Leben im seelischen Schatten und die Versuche, sich daraus zu befreien.

Isabel Allende: „Das Geisterhaus“, Suhrkamp, 501 S., 14 Euro

Ein Buch wie ein riesengroßes historisches Familiengemälde, mal bunt, mal düster, mal bizarr und voller mythischer Windungen. Allende verwebt die schicksalsbeladende Geschichte der reichen Familie del Valle in Chile Anfang des 20. Jahrhunderts dicht mit den politischen Umwälzungen bis zum Putsch 1973, bei dem ihr Onkel zweiten Grades, Präsident Salvador Allende, ermordet wurde. Das Buch gehört bis heute zu den besten Beispielen, Geschichte und Fiktion auf hohem literarischen Niveau so zu verbinden, dass man sich nach der Lektüre nicht nur unterhalten, sondern auch viel klüger fühlt.

J. R. R. Tolkien: „Herr der Ringe“, Klett-Cotta, 1568 S., 40 Euro

Bis heute die größte und überwältigendste Fantasy-Geschichte, die, abgesehen von der Bibel, je geschrieben wurde. Ist lang, aber wenn man mal tief in Mittelerde ist und mit Frodo und seinen Hobbitfreunden dem Ring hinterherjagt, will und kann man nicht mehr raus und segelt mit ihnen weiter nach Aman. Wohin? Ach, ihr Unwissenden!

Erich Maria Remarque: „Zeit zu leben und Zeit zu sterben“, Kiepenheuer & Witsch, 577 S., 14 Euro

Nach „Im Westen nichts Neues“ über den Ersten Weltkrieg schrieb Remarque diesen Roman über einen Ostfront-Urlauber im Zweiten Weltkrieg, 25 Jahre später. Seine Schlachtenbeschreibungen sind hier noch lakonisch-grauenhafter und die Seelen noch abgestumpfter. Doch Remarque schafft es, seinen Soldaten zwischen Ruinen und Bomben den Funken Hoffnung auf Frieden und Liebe finden zu lassen, der Menschen aufrecht hält.

John Steinbeck: „Früchte des Zorns“, dtv, 530 S., 15 Euro

Du spürst den Hunger, du fühlst den Durst und atmest vergebliche Hoffnung. Steinbecks Meisterwerk über die Reise verarmter Landarbeiter ins Kalifornien der 1920er-Jahre ist das Beste, um die Glückslüge Amerikas bis heute zu verstehen.