„Ich bin skeptisch“: Merz zweifelt Erfolg von Pistorius‘ Wehrdienstmodell an

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat Zweifel am Erfolg des auf Freiwilligkeit beruhenden Wehrdienstmodells aus dem SPD-geführten Bundesverteidigungsministerium geäußert. „Ich vermute, es wird bei Freiwilligkeit allein nicht bleiben“, sagte Merz am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Caren Miosga“. Er zweifle daran, dass das Freiwilligenmodell das Ziel erreiche und der Bundeswehr genügend neues Personal bringe. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zeigte sich hingegen optimistisch, was den anvisierten Personalaufwuchs der Bundeswehr angeht.

Der Kanzler sagte in dem ARD-Interview im Grundsatz seine Unterstützung für das Modell von Minister Pistorius zu. „Wir wollen das jetzt mit der SPD zunächst freiwillig versuchen hinzubekommen“, sagte Merz – und fügte hinzu: „Ich bin skeptisch. Wenn es uns gelingt – umso besser.“ In der Union gibt es allerdings viele Stimmen, denen das Modell von Pistorius nicht weit genug geht. Sie fordern einen klaren Automatismus zur Wiedereinsetzung der Wehrpflicht.

Pistorius machte derweil klar, dass er die Zweifel aus der Union nicht teile. In dem am Montag veröffentlichten Podcast „Table.Today“ wies der Minister darauf hin, dass der Aufwuchs bei den jungen Rekruten bereits jetzt schon erfolge. „Wir haben die Zuwachszahlen“, sagte Pistorius. „Wir werden alleine in diesem Jahr schon 30 Prozent mehr militärische Einstellungen haben als im Vorjahr.“

In den kommenden Jahren werde die Bundeswehr 40.000 neue Wohnplätze für Rekruten in den deutschen Kasernen aufbauen und mit dem neuen Gesetz die Attraktivität des Dienstes weiter steigern. „Die Linie stimmt“, sagte der Verteidigungsminister. „Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass das nicht klappt.“

SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf warnte die Union vor Forderungen, die über die Vereinbarungen in der Koalition zum Wehrdienst hinausgingen. „Wir haben uns in der Koalition gemeinsam auf einen klaren Weg verständigt: Der neue Wehrdienst wird freiwillig sein. Punkt“, sagte Klüssendorf dem Magazin „Stern“ laut Vorabmeldung vom Montag.

„Daran werden sich alle halten – auch Markus Söder“, fügte der SPD-Politiker mit Blick auf den CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten hinzu. Söder hatte am Wochenende seine Kritik an Pistorius‘ Gesetzentwurf erneuert und von einer „Wischiwaschi-Wehrpflicht“ gesprochen.

Merz bekräftigte in dem ARD-Interview die CDU-Forderung nach Einführung eines allgemeinen verpflichtenden Dienstjahrs für Männer und Frauen in Deutschland. „Ich bin dafür, dass wir ein allgemeines gesellschaftliches Pflichtjahr in Deutschland etablieren“, sagte er. Dazu brauche es allerdings eine Grundgesetzänderung.

Die Forderung nach einem verpflichtendem Gesellschaftsjahr hatte die Union bereits im Bundestagswahlkampf erhoben. Es soll nach ihren Vorstellungen bei der Bundeswehr, aber auch bei zivilgesellschaftlichen Verbänden abgeleistet werden.

Verärgert zeigte sich Merz über die Kritik von Minister Pistorius an der Unionsfraktion. Die Verschiebung der Bundestagsdebatte über Pistorius‘ Gesetzentwurf zum neuen Wehrdienst sei „schon vor einigen Tagen“ gemeinsam von den Fraktionen von Union und SPD vereinbart worden – dafür sei nicht wie von Pistorius behauptet allein die CDU/CSU verantwortlich. Mit Blick auf Pistorius sagte der Kanzler: „Es kann sein, dass er die internen Vorgänge im Parlament nicht so mitbekommen hat.“

Pistorius hatte der Unionsfraktion am Samstag in scharfen Worten eine Blockade seines Wehrdienstgesetzes vorgeworfen und dies als „fahrlässig“ kritisiert. Merz sagte nun, die Fraktionen von Union und SPD wollten weiter über den Entwurf aus dem Ministerium von Pistorius beraten, um vor der Bundestagsdebatte eine „gemeinsamen Zielsetzung“ zu erreichen in der Frage, wie zu verfahren sei, wenn der auf Freiwilligkeit beruhende Wehrdienst nicht genügend Personal für die Bundeswehr anwirbt, sagte Merz.

SPD-Fraktionsvize Siemtje Möller zeigte sich zuversichtlich, das Gesetz rasch verabschieden zu können. Allen Beteiligten sei „die Dringlichkeit einer Verabschiedung sehr bewusst“, deswegen solle es „zu einer Verabschiedung des Gesetzes vor Jahresende kommen“, sagte die Wehrexpertin der „Rheinischen Post“. Dies sei wichtig, damit „wir bereits im nächsten Jahr mit dem neuen Wehrdienst beginnen können“.

Die Pläne von Pistorius sollen pro Jahr Zehntausende neue Rekruten zur Bundeswehr bringen, bis auf Weiteres allerdings auf freiwilliger Basis. Ein verpflichtender Wehrdienst ist zwar vorgesehen für den Fall, dass Rekrutierungsziele nicht erreicht werden oder die Sicherheitslage höhere Zahlen nötig macht. Es gibt aber keinen Automatismus, keine festgelegte Zahl und keinen festgelegten Zeitpunkt für eine Aktivierung der Wehrpflicht.