Vorschlag zum Sondervermögen: Landrat kämpft gegen das Gießkannenprinzip

100 Milliarden Euro stellt der Bund für Kommunen und Länder bereit. Ein Landrat in Rheinland-Pfalz hat eine ungewöhnliche Idee: Gemeinden sollen ihren Anteil bündeln – für etwas wirklich Großes.

Wenn es nach Martin Brandl geht, ist die Geschichte vom Geldregen vorbei, bevor sie begonnen hat. „Drei Millionen Euro im Jahr – was ist das?“, fragt der Landrat von Germersheim. Die Antwort liefert er mit: „Ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn die Gelder verteilt werden wie bisher.“

Der Tropfen sind in seinem Fall rund 108 Millionen Euro, die der Landkreis im Südosten von Rheinland-Pfalz aus dem 100-Milliarden-Topf des Bundes in den nächsten zwölf Jahren erhalten soll. Viel Geld, das ist dem Landrat bewusst. Doch aus seiner Sicht beginnt damit eher ein Problem als eine Lösung.

Neues kommunales Denken oder politische Träumerei?

Denn das Geld – so Brandl – wird nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Jeder Kreis, jede Kommune bekommt ein bisschen. Für eine neue Kita reicht das etwa in Rülzheim, Brandls Heimatort mit rund 8.000 Einwohnern, nicht. „Die kostet neun Millionen, aber wir bekommen über zwölf Jahre verteilt nicht einmal fünf.“

Brandl, einst parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion in Mainz, will das System durchbrechen – und geht in die Offensive. „Ich habe den Bürgermeistern im Kreis Germersheim gesagt: Ihr könnt den Anteil des Landkreises haben. Ganz. Bedingung: Wir machen gemeinsam etwas Gescheites daraus.“ Brandl will die Mittel bündeln. Groß denken. Weg von Spielplatzprojekten, Schultoiletten und Symbolpolitik.

Stattdessen: ein Zukunftsplan für Süd- und Vorderpfalz. Energieinfrastruktur, Batterienetze, neue Cluster mit Start-ups. Projekte, die mindestens eine „volkswirtschaftliche Rendite“ bringen. „Die Menschen müssen spüren, dass sich mit dem Geld etwas tut, dass sich etwas zum Guten verändert.“ Allein sei das nicht zu schaffen. „Aber zusammen können wir Milliarden bewegen.“

Tatsächlich wären es – wenn Landkreise, Kommunen und vielleicht Teile der Metropolregion mitziehen – mehr als eine Milliarde Euro. Inklusive Wirtschaft und Land womöglich zwei Milliarden. Mit diesem Kapital, meint Brandl, ließe sich Infrastruktur neu denken – und der Standort Metropolregion in der Fläche und für die Zukunft sichern.

Wie die Industrie- und Handelskammer darüber denkt

Das klingt nach Graswurzelpolitik – und nach einem ambitionierten Zeitplan. Denn das Fenster ist klein. „Wenn jeder im alten Stil seine paar Millionen ausgibt, ist die Tür zu“, warnt der Landrat. Die Regeln zur Mittelvergabe sind noch nicht final. Aber sobald sie in den kommunalen Gremien auf dem Tisch liegen, fürchtet er, werden viele das Geld „verplanen, bevor es da ist“. Dann sei der Weg zu einem gemeinsamen Investitionsprojekt verbaut.

Zustimmung zu Brandls Initiative kommt von der Industrie- und Handelskammer (IHK). Sie decke sich mit den Vorstellungen der Wirtschaftsvertretung, sagt Hauptgeschäftsführer Jürgen Vogel von der IHK Pfalz. Wichtig sei, dass die Mittel zielgerichtet eingesetzt werden. „Wir wollen mit dem Sondervermögen nicht Straßen und Dächer reparieren, sondern echte Projekte anstoßen, die eine Region voranbringen“, betont Vogel.

Kritisch sieht er die Unsicherheit über die konkrete Ausgestaltung der Bundesregelung zur Mittelvergabe. Es bestehe die Sorge, dass Gelder ohne Vorgaben weitergegeben werden. Aus IHK-Sicht wäre es sinnvoller, mit der Wirtschaft Prioritäten zu definieren, betont Vogel. Projekte sollten so konzipiert sein, dass sie private Investitionen anziehen und so zusätzliche Effekte erzielen.

Wichtig sei zudem, bürokratische Hürden abzubauen. „Wir brauchen Regelungen, die Verfahren beschleunigen und Innovationen ermöglichen“, fordert Vogel. Die IHK sei bereit, Foren zu schaffen, in denen Kommunen und Wirtschaft gemeinsam Schwerpunkte festlegen. „Solche Investitionen brauchen einen Plan“, betont er, „den müssen wir nun gemeinsam entwickeln.“

Energieparks oder Forschungseinrichtungen

Landrat Brandl glaubt an die Kraft der kommunalen Selbstorganisation – und an die Strahlkraft gemeinsamer Projekte. „Wenn die Wirtschaft sieht, dass wir zusammen etwas bewegen, steigen BASF, Daimler, Energieversorger oder andere Player eher mit ein.“

Er denkt an Energieparks, an Batterienetze, an Forschungseinrichtungen, gar an Start-up-Cluster. Ein konkretes Projekt hat er noch nicht benannt – bewusst. Es gehe nicht um schnelle Schlagzeilen, sondern um einen gemeinsamen Prozess. „Wenn wir weiter nur unseren Kirchturm sehen, verlieren wir den Anschluss.“

Kritik an der Bundesregierung formuliert er offen – auch wenn er grundsätzlich hinter dem Investitionspaket steht: „Man hat sich die Zustimmung der Länder zum Sondervermögen mit Geld erkauft“, sagt er. „Aber was bringt es, wenn es in Projekte fließt, die wir ohnehin gemacht hätten?“

Natürlich weiß Brandl, dass viele Kollegen seine Vision wohl für naiv halten. Zu groß, zu unsicher, zu vage. „Die meisten werden sagen: Ich will mein Geld, für meine Kommune“, vermutet er. „Das ist die erste Reaktion. Eine natürliche.“

Trotzdem bleibt er dabei: Wer nur investive Kredite ersetze und das Geld statt in Zukunft in ohnehin geplante Maßnahmen stecke, vergebe eine Chance. „Das ist dann nichts als eine Umschichtung von Schulden. Das bringt uns gar nichts.“